Sonderausgabe LFA Covid-19 : Handelsrecht | 22.April 2020

Angesichts der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) stellen sich viele Gesellschaften die Frage, welche Maßnahmen, sie unter Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen  der französischen Regierung ergreifen können, um die Folgen für die Kontinuität ihrer Geschäftstätigkeit und die Erfüllung vertraglicher Pflichten einzuhalten.

Dieses Dokument enthält Antworten auf die Fragen, die uns von unseren Mandaten gestellt wurden, sowie unsere Antworten, die Ihnen gegebenenfalls ebenfalls weiterhelfen können.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die unten stehenden Antworten lediglich Ihrer Information dienen und unverbindlich sind. Es handelt sich um keine rechtliche Beratung, für die GGV Avocats – Rechtsanwälte haftet. 

Die nachstehenden Informationen werden regelmäßig entsprechend den Ankündigungen der Regierung sowie der Veröffentlichung von einschlägigen Gesetzen, Erlässen und Verordnungen angepasst.


News Deutschland

  1. Warenverkehr
  2. Fortsetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit
  3. Lieferungsengpässe und Produktionskürzungen
  4. Höhere Gewalt und Unvorhersehbarkeit

News Deutschland

Warenverkehr

Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Epidemie auf den Warenverkehr?

Zu unterscheiden ist zwischen dem Warenverkehr innerhalb der EU (Europäische Union) und dem Warenverkehr zwischen der EU und Drittstaaten.  Besondere Aufmerksamkeit muss dem Warenverkehr von gesundheitlicher Schutzausrüstung gewidmet werden.

In beiden Fällen sind derzeit auf EU-Ebene keine “Quarantäne”-Maßnahmen für den Warenverkehr (auch nicht aus Ländern außerhalb der EU) vorgesehen. Nach Ansicht der Europäischen Kommission sollte der freie Warenverkehr innerhalb der EU so weit wie möglich gewährleistet bleiben, insbesondere im Hinblick auf lebenswichtige, gesundheitsbezogene oder verderbliche Güter wie Lebensmittel, sofern nicht zwingend anders notwendig. Kontrollen sind zum Beispiel möglich, aber die Europäische Kommission empfiehlt, dass sie die Lieferketten nicht mehr als unbedingt notwendig behindern sollten.  

Es handelt sich bei diesen Äußerungen jedoch nur um Leitlinien (“Leitlinien für Grenzschutzmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Gewährleistung der Verfügbarkeit von wesentlichen Gütern und Dienstleistungen”) der Europäischen Kommission vom 16. März 2020, und es ist wichtig, die Maßnahmen jedes Mitgliedstaates oder Nichtmitgliedstaates, durch dessen Gebiet Waren transportiert werden, aufmerksam zu verfolgen; die Situation kann sich jederzeit ändern. 

In diesem Sinne erinnert die Kommission daran, dass es notwendig ist, die sichere Bewegung von Transportarbeitern, einschließlich Lastwagen- und Zugführern, Piloten und Besatzungen, zu ermöglichen, um den ordnungsgemäßen Transport von Gütern und wichtigen Fachleuten zu gewährleisten. 

Für Waren, die innerhalb des EU-Binnenmarktes legal befördert werden, sollte nach den Leitlinien der Kommission keine zusätzliche Zertifizierung vorgeschrieben werden. 

Beschränkung der Ausfuhr von gesundheitlicher Schutzausrüstung

Eine am Sonntag, den 15. März 2020, veröffentlichte Durchführungsverordnung (EU) 2020/402 verbietet die Ausfuhr einer Reihe von persönlichen Schutzausrüstungen (inkl. Gesichtsmasken und Handschuhe) aus der EU (außer in assoziierte Drittländer wie das Vereinigte Königreich, Norwegen, die Schweiz usw.), unabhängig davon, ob sie aus der EU stammen oder nicht, es sei denn, es wird zuvor eine Ausfuhrgenehmigung von einem Mitgliedstaat eingeholt. Die Verordnung gilt für einen Zeitraum von sechs Wochen vom 15. März 2020 bis zum 26. April 2020. Diese Maßnahme kann jederzeit verlängert oder verstärkt werden.

In Frankreich ist das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen – genauer die Generaldirektion für Unternehmen (DGE), Abteilung für Güter mit doppeltem Verwendungszweck –zuständig für Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen für Schutzausrüstung. 

Im Hinblick auf die Einfuhr wurden Maßnahmen ergriffen, um bestimmte gesundheitsrelevante Einrichtungen unter bestimmten Bedingungen von Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer zu befreien. Sie gelten für Einfuhren durch öffentliche Organisationen, durch von der Generaldirektion für Zölle und indirekte Abgaben (DGDDI) akkreditierte Organisationen oder durch autorisierte humanitäre Hilfsorganisationen ab dem 30. Januar 2020 (Möglichkeit der Beantragung einer Rückerstattung) bis zum 31. Juli 2020, sofern sie nicht noch verlängert werden.

Darüber hinaus wurde einem Erlass vom 30. März 2020 gemäß, nachträglich geändert durch Erlass vom 6. April 2020, der in Anwendung des Finanzberichtigungsgesetzes für 2020 vom 23. März 2020 erlassen wurde, eine Befreiung von der „octroi de mer“ – der französischen Steuer für Ausfuhr in Überseegebiete – für bestimmte Sanitärausrüstungen eingeführt.

Was die Sicherheitsstandards importierter Masken betrifft, so erlaubt die DGDDI bis zum 31. Mai 2020 den Import von Masken ohne CE-Kennzeichnung, sofern der Importeur nachweist, dass sie zum Zeitpunkt des Imports den europäischen Normen oder bestimmten als gleichwertig anerkannten ausländischen Normen entsprechen. In diesem Fall werden die Importbeteiligten dazu angehalten, ihrem Zollanmelder die technischen Dateien dieser Masken zu übermitteln, damit er deren Konformität mit den europäischen Normen oder deren Anerkennung als gleichwertig feststellen kann.

Quellen : 

European Commission, COVID-19, Guidelines for border management measures to protect health and ensure the availability of goods and essential services dated 16 March 2020

Durchführungsverordnung (EU) 2020/402 der Europäischen Kommission vom 14. März 2020 über die Einführung der Verpflichtung zur Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung bei der Ausfuhr bestimmter Produkte

Generaldirektion Zoll und indirekte Steuern – „Covid-19 : zoll- und steuerbefreiter Import von gesundheitlicher Schutzausrüstung“

Generaldirektion Zoll und indirekte Steuern – „Covid-19 : Sicherheitsnormäquivalenz und andere Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit gesundheitlicher Schutzausrüstung“

Fortsetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit

Welche Wirtschaftszweige können ihre Tätigkeit während der COVID-19 – Krise fortsetzen und unter welchen Bedingungen? 

 

  • Das Prinzip: Die Fortsetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit unter Einhaltung der Ausgangssperre

 

Am 23. März 2020 ging vom Premierminister ein Erlass zur Anordnung allgemeiner Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der Verbreitung von Covid-19 aus. Dieser Erlass folgt auf den Erlass vom 16. März und hebt ihn auf. Er sieht vor, dass es bis zum 31. März 2020 verboten ist, sich außerhalb des eigenen Hauses zu bewegen, außer bei Ausgängen zu strikt definierten Anlässen, unter Einhaltung der allgemeinen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus und zur Vermeidung jeglicher Gruppierung von Personen wie folgt: 

“1° Fahrten zwischen dem Wohnort und dem/den Ort(en), an dem/denen die berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, sowie unaufschiebbare berufliche Fahrten; 

2° Ausgänge für den Kauf von für die berufliche Tätigkeit notwendigen Gütern und für den Kauf von Grundbedarfsgütern in (noch geöffneten) Einrichtungen; 

3° Ausgänge aus gesundheitlichen Gründen, mit Ausnahme von Beratungen und Betreuung, die aus der Ferne erfolgen können, und, mit Ausnahme von Patienten, die an einer Langzeitkrankheit leiden, solchen, die verschoben werden können; 

4° Ausgänge aus zwingenden familiären Gründen, zur Unterstützung von gefährdeten Personen und zur Betreuung von Kindern; 

5° Kurze Ausgänge von höchstens einer Stunde pro Tag und in einem Umkreis von höchstens einem Kilometer um die Wohnung herum, die entweder mit der individuellen körperlichen Aktivität der Personen, unter Ausschluss jeglicher kollektiven sportlichen Betätigung und jeglicher Nähe zu anderen Personen, oder mit dem Spaziergehen nur mit den in derselben Wohnung versammelten Personen oder für die Bedürfnisse von Haustieren zusammenhängen; 

6° Ausgänge, die sich aus der Verpflichtung ergeben, sich bei den nationalen Polizei- oder Gendarmeriediensten oder bei einem anderen Dienst zu melden, die von der Verwaltungspolizeibehörde oder der Justizbehörde auferlegt werden; 

7° Ausgänge aufgrund einer Vorladung durch ein Verwaltungsgericht oder eine Justizbehörde; 

8° Ausgänge zum alleinigen Zweck der Teilnahme an Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf Antrag der Verwaltungsbehörde und unter den von ihr festgelegten Bedingungen”.

(https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000041746694&categorieLien=id)

Die Regierung hat durch verschiedene Auftritte in den Medien die Philosophie und den Umfang der zur Bekämpfung der Epidemie eingeführten restriktiven Maßnahmen erläutert. Sie hat aber keine abschließende Liste von Aktivitäten, die als wesentlich für die Wirtschaft des Landes gelten, erstellt. 

Die Regierung hat aber ausdrücklich daran erinnert, dass “die Ausgangssperre nicht zu einem totalen Stopp der wirtschaftlichen Tätigkeit des Landes führen dürfen, sondern zu einer Anpassung der wirtschaftlichen Tätigkeit, um der Gesundheitskrise zu begegnen.» (https://www.economie.gouv.fr/files/files/2020/coronavirus_faq_entreprises.pdf)

Somit sind nur bestimmte Aktivitäten für die Dauer der Ausgangssperre zu unterbrechen, nämlich solche, die, da sie Bevölkerungsansammlungen hervorrufen und für das Leben der Nation nicht wesentlich sind, mit dem Kampf gegen die Ausbreitung des Virus unvereinbar sind. 

Für andere Sektoren gilt der Grundsatz der Kontinuität der Tätigkeit unter Anwendung geeigneter Maßnahmen (siehe FAQ GGV Arbeitsrecht). 

Die Regierung hat Arbeit im Home Office für alle Arbeitsplätze, wo dies möglich ist, als verpflichtend erklärt. 

Wenn Home Office nicht möglich ist, sind die Beschäftigten verpflichtet, zur Arbeit zu kommen, solange die Unternehmensführung die im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise verbindlichen Regeln des social distancing einhält. 

Insbesondere Unternehmen und Arbeitnehmer, die an als wesentlich erachteten wirtschaftlichen Aktivitäten beteiligt sind, sind verpflichtet, ihre Tätigkeit fortzusetzen.  

Bruno Lemaire, der Finanz- und Wirtschaftsminister, nannte natürlich die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie, aber auch Energie, Transport, Telekommunikation, Abfallwirtschaft und einen Teil der lokalen oder nationalen Verwaltung als so genannte wesentliche Sektoren. In den FAQ der Regierung, welche online gestellt wurden, werden auch Chemikalien und Gesundheitsprodukte erwähnt.  

Als Beispiel gibt die Regierung an, dass ein Wartungsunternehmen, das zur Sicherheit einer Industrieanlage beiträgt, seine Tätigkeit nicht einstellen kann, genau wie die Dienstleister von lebenswichtigen Aktivitäten (“OIV – 0pérateurs d’importance vitale”). Bei diesen handelt es sich um etwa 260 öffentliche und private Unternehmen, die vom Staat als solche anerkennt sind und deren Identität dem Verteidigungsgeheimnis unterliegt oder Krankenhäuser. 

 

  • Ausnahmen: Bestimmte Einrichtungen, die Publikumsverkehr empfangen (sogenannte “ERP”) bleiben trotz der Ausgangssperre für die Öffentlichkeit geöffnet

 

 Die Regierung hat am 14. März 2020 eine Verordnung erlassen, die am 15. März 2020 in Kraft trat und in der festgelegt ist, welche ERPs ohne Einschränkungen weiter betrieben werden können und somit weiterhin Menschen empfangen dürfen (https://www.legifrance.gouv.fr/eli/arrete/2020/3/14/SSAZ2007749A/jo/texte und https://www.legifrance.gouv.fr/eli/arrete/2020/3/15/SSAS2007753A/jo/texte ).  

Es handelt sich um die folgenden Einrichtungen:

    • Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen, landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Maschinen und Geräten 
    • Handel mit Kraftfahrzeugausrüstung 
    • Verkauf und Reparatur von Motorrädern und Fahrrädern 
    • Notwendige Versorgung der landwirtschaftlichen Betriebe 
    • Einzelhandelsverkauf von Tiefkühlkostprodukten 
    • Allgemeiner Lebensmittelhandel 
    • Kleinstsupermärkte 
    • Supermärkte 
    • Kaufhäuser
    • Große Supermärkte (“Hypermarché”)
    • Einzelhandelsverkauf von Obst und Gemüse in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Fleisch und Fleischprodukten in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Fisch, Krusten- und Weichtieren in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Brot, Gebäck und Konditoreiwaren in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Getränken in Fachgeschäften 
    • Sonstiger Lebensmitteleinzelhandel in Fachgeschäften 
    • Verteilung von Lebensmitteln durch Wohltätigkeitsorganisationen 
    • Einzelhandel mit Kraftstoffen in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Informations- und Kommunikationsgeräten in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Computern, Peripheriegeräten und Software in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Telekommunikationsgeräten in Fachgeschäften 
    • Einzelhandel mit Baumaterialien, Eisenwaren, Farben und Glas in Fachgeschäften 
    • Einzelhandelsverkauf von Zeitungen und Schreibwaren in Fachgeschäften 
    • Einzelhandel mit pharmazeutischen Produkten in Fachgeschäften 
    • Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln in Fachgeschäften 
    • Optische Einzelhandelsgeschäfte 
    • Einzelhandel mit Heimtierfutter und Heimtierbedarf 
    • Verkauf durch Automaten 
    • Hotels und ähnliche Unterkünfte 
    • Touristische und andere kurzfristige Unterkünfte, wenn sie für die dort lebenden Personen einen regelmäßigen Wohnsitz darstellen 
    • Campingplätze und Parkanlagen für Wohnwagen oder Freizeitfahrzeuge, wo sie für die dort lebenden Personen ein regelmäßiger Aufenthaltsort sind 
    • Vermietung und Leasing von Kraftfahrzeugen 
    • Miete und Leasing von anderen Maschinen, Geräten und Eigentum 
    • Vermietung und Leasing von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten 
    • Vermietung und Leasing von Baumaschinen und -geräten 
    • Aktivitäten von Arbeitsvermittlungsagenturen 
    • Aktivitäten der Zeitarbeitsunternehmen 
    • Reparatur von Computern und persönlichen und Haushaltsgegenständen 
    • Reparatur von Computern und Kommunikationsgeräten 
    • Reparatur von Computern und Peripheriegeräten 
    • Reparatur von Kommunikationsgeräten 
    • Wäscherei und chemische Reinigung (Groß – und Einzelhandel) 
    • Bestattungsunternehmen
    • Finanz- und Versicherungsaktivitäten 

Es ist zu beachten, dass ERPs, die in die Kategorie des Typs W (Verwaltungen, Banken, Büros) eingestuft sind, nicht von dem Versammlungsverbot für die Öffentlichkeit betroffen sind und somit weiterhin geöffnet sein können.

Die Liste wurde am 18. März 2020 durch folgende Aktivität vervollständigt: Einzelhandel mit Tabakwaren, elektronischen Zigaretten, Geräten und Anlagen zur Verdampfung in Fachgeschäften.  (https://www.legifrance.gouv.fr/eli/arrete/2020/3/17/SSAZ2007919A/jo/texte)

Andererseits dürfen ERPs, die unter die folgenden Kategorien fallen, bis zum 15. April 2020 nicht mehr für die Öffentlichkeit öffnen:

  • Räume für Anhörungen, Konferenzen, Besprechungen, Shows oder zur Mehrfachnutzung (Kategorie L); 
  • -Verkaufsläden und Einkaufszentren, mit Ausnahme ihrer Liefer- und Bestellungsrücknahmeaktivitäten (Kategorie M); 
  • Restaurants und Gaststätten, mit Ausnahme ihrer Liefer- und Mitnahmeaktivitäten, Zimmerservice in Hotelrestaurants und -bars s und bereits bestellte Cateringdienste (Kategorie N); 
  • Tanzsäle und Spielräume (Kategorie P); 
  • Bibliotheken, Dokumentationszentren (Kategorie S); 
  • Ausstellungshallen (Kategorie T); 
  • Überdachte Sportanlagen (Kategorie X); 
  • Museen (Kategorie Y); 
  • Zelte, Festzelte und Strukturen (Kategorie CTS); 
  • Außenanlagen (Kategorie PA); 
  • Früherziehung, Bildung, Ausbildung, Ferienzentren, Freizeitzentren ohne Unterkunft, mit einigen Ausnahmen (Kategorie R).

Lieferungsengpässe und Produktionskürzungen

Die COVID-19 Epidemie kann die Produktionskette von Unternehmen beeinträchtigen. 

Was ist also zu tun, wenn Unternehmen mit Rohstoffknappheit oder Produktionskürzungen konfrontiert sind und nicht alle ihre Kunden beliefern können? 

In dieser Situation sollte erwogen werden, eventuell nur Teillieferungen vorzunehmen und/oder bestimmte Kunden nicht zu beliefern, wobei hierbei insbesondere die Regeln des Wettbewerbsrechts weiterhin einzuhalten sind, da sonst mit Strafen zu rechnen ist. 

Unternehmen sollten daher unbedingt vermeiden, den Eindruck zu erwecken, ohne objektiven Grund eine Strategie zu verfolgen, die darauf abzielt, bestimmte Kunden oder Vertriebskanäle zu begünstigen.  

Eine solche Vorsichtsmaßnahme ist umso wichtiger, wenn das Unternehmen auf einem der Märkte, auf denen es tätig ist, eine dominante Markstellung einnimmt. Eine solche Stellung geht mit einer besonderen Verantwortung einher, und es sollte vermieden werden, den Eindruck zu erwecken, dass diese Stellung missbraucht wird.  

Befindet sich der Kunde in einer Situation der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines Unternehmens, so stellt die Verweigerung des Verkaufs, oder ganz allgemein jede diskriminierende Praxis, einen Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit dar, welcher ebenfalls strafbar ist.  

Schließlich würde eine solche diskriminierende, unlautere Praxis vom Richter wahrscheinlich als ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien oder als eine abrupte, und nach französischem Recht strafbare, Beendigung der Geschäftsbeziehung oder als eine Praxis des unlauteren Wettbewerbs angesehen.  

Um diese Fallstricke zu vermeiden, müssen Unternehmen die besondere Situation jedes einzelnen ihrer Kunden prüfen, wenn es sie ganz oder teilweise einen Kunden nicht beliefern können. Unternehmen sollten Kriterien bestimmen, wonach die Kunden anteilig nach ihren bisherigen Bestellungen beliefert werden sollten bzw. wonach bestimmt wird welche Kunden angesichts von Engpässen bevorzugt werden sollten.

Unter anderem sollten die folgenden Kriterien bedacht werden:

  • wurde die Bestellung des Kunden bereits vor Ausbruch der Krise von dem Unternehmen akzeptiert?  
  • Dauer der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden,  
  • Höhe des mit dem Kunden erzielten Umsatzes,  
  • Grad der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Kunden von dem Unternehmen,  
  • ist das für Produkt für den Kunden durch andere Produkte ersetzbar?  
  • hat der Kunde die Möglichkeit, Lieferungen von einem Konkurrenten zu erhalten und innerhalb welcher Frist?  
  • welche allgemeinen Geschäftsbedingungen und sonstigen spezifischen Vertragsklauseln (z.B. Exklusivitätsverpflichtung) wurden mit dem Kunden vereinbart?
  • bei einem bestehenden Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Kunden, was sieht dieser im Falle der Nichterfüllung vor?

Generell sollten Unternehmen also eine Strategie zur Aufteilung der möglichen Lieferungen unter den Kunden nach objektiven und transparenten Kriterien definieren, die in gleicher Weise auf alle betroffenen Kunden anzuwenden ist. Sollten mehrere Kunden gleiche Kriterien erfüllen, können die Lieferquoten im Verhältnis zu den von den Kunden bestellten Mengen als Anhaltspunkt dazu dienen, eine Lieferreihenfolge zu erstellen, sofern keine anderen objektiven Kriterien zutreffen.  

Hinweis: Die hier gemachten Angaben dienen nur zu Informationszwecken und basieren ausschließlich auf französischem Recht. Jede besondere Situation muss Gegenstand einer individuellen Analyse sein, unter Berücksichtigung aller rechtlichen und faktischen Aspekte.

Höhere Gewalt und Unvorhersehbarkeit

Kann höhere Gewalt aufgrund von COVID-19 (Coronavirus) geltend gemacht werden?  

Angesichts der Coronavirus-Epidemie und ihrer Folgen haben Unternehmen Schwierigkeiten bei der Ausführung einer Reihe von Verträgen, die sie abgeschlossen haben. 

Es stellt sich daher die Frage, ob sich Unternehmen auf höhere Gewalt berufen können, um von der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten entbunden werden zu können.

Am 28. Februar 2020 erklärte der Minister für Wirtschaft und Finanzen, Bruno Le Maire, dass das Coronavirus ein Fall höherer Gewalt für Unternehmen sei, insbesondere bei staatlichen öffentlichen Aufträgen, der das Aussetzen von Vertragsstrafen für die verspätete Erfüllung der vertraglichen Pflichten rechtfertige. 

Am 16. März 2020 kündigte Präsident Macron Sondermaßnahmen an, wie die Aussetzung von Mieten, Wasser-, Gas- und Stromrechnungen usw., unter bestimmten Bedingungen, deren Einzelheiten in der Verordnung Nr. 2020-316 und einer Verordnung vom 23. März 2020 festgelegt sind.  

Aber was ist mit anderen privatwirtschaftlichen Verträgen, dessen Erfüllung durch die Epidemie beeinträchtigt oder unmöglich gemacht wird? 

Im französischen Recht ist höhere Gewalt im Artikel 1218 des Code civil (Bürgerliches Gesetzbuch)  vorgesehen, der durch die Reform des Vertragsrechts von 2016 geschaffen wurde und der höhere Gewalt definiert als “ein vom Schuldner nicht zu vertretendes Ereignis, das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vernünftigerweise nicht vorhersehbar war und dessen Auswirkungen nicht durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können,  und welches die Erfüllung der Verpflichtung durch den Schuldner verhindert.”

Um sich auf höhere Gewalt berufen zu können, muss eine Vertragspartei zunächst prüfen, ob drei kumulative Bedingungen erfüllt sind:  

  • Erstens muss das Ereignis außerhalb der Kontrolle des Schuldners liegen, der sich darauf beruft. 
  • Zweitens muss das Ereignis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vernünftigerweise vorhersehbar gewesen sein.
  • Drittens dürfen die Auswirkungen des Ereignisses nicht durch geeignete Maßnahmen vermeidbar sein. 

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, ist der Vertragspartner, der sich auf höhere Gewalt beruft, von der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen ganz oder teilweise entbunden.

Ist der Vertragspartner vorübergehend an der Erfüllung des Vertrages gehindert, so ruht seine Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrages, es sei denn, die Verzögerung der Erfüllung ist so groß, dass sie die Kündigung des Vertrages rechtfertigt. Ist der Vertragspartner dauerhaft an der Erfüllung des Vertrages verhindert, wird der Vertrag von Rechts wegen aufgelöst und die Vertragspartner sind dann von ihren Verpflichtungen befreit. 

 Stellt das Coronavirus einen Fall höherer Gewalt im Sinne von Artikel 1218 des Code civil dar?

Die bisherige Rechtsprechung auf dem Gebiet der Krankheiten und Epidemien besagt eher das Gegenteil. 

Tatsächlich haben die Gerichte die Frage bereits für Epidemien der Pest, H1N1-Grippe, Dengue-Fieber, Ebola oder Chikungunya entschieden. Dabei haben die Gerichte mehrfach befunden, dass diese Gesundheitskrisen keine Ereignisse höherer Gewalt darstellen: 

  • entweder, weil die Krankheit oder Epidemie durch eine vorbeugende Behandlung hätte verhindert werden können (CA Paris, 25. September 1998, Nr. 98/024244); ähnlich vertraten die Richter die Auffassung, dass das H1N1-Virus bereits vor der Umsetzung der Gesundheitsvorschriften weithin bekannt gemacht worden war (CA Besançon, 2. Ch. Com, 8. Januar 2014, RG Nr. 12/02291); außerdem wurde die Epidemie, beispielsweise beim Dengue-Fieber, als wiederkehrend und damit als vorhersehbar angesehen (Nancy, 1. Ch. Civ., 22. November 2010, RG Nr. 09/00003); 
  • oder weil die Krankheiten nicht “ausreichend” tödlich waren (CA Basse-Terre, 17. Dezember 2018, Nr. 17/00739); 
  • oder z.B. für das Ebola-Virus, weil die sich auf höhere Gewalt berufende Partei nicht nachgewiesen hat, dass sie aufgrund des Virus nicht in der Lage war, ihre Verpflichtung zu erfüllen (CA Paris, 29. März 2016, Nr. 15/04263; CA Rennes, 9. März 2018, Nr. 18/01827)

Die Gerichte haben daher entschieden, dass diese Gesundheitskrisen für die Partei, die sich darauf beruft, keinen Grund zur Rechtfertigung der Nichterfüllung eines Vertrages darstellen. 

Bei COVID-19 ist die Situation jedoch gänzlich anders.  

Zunächst einmal hat die Gesundheitskrise von COVID-19 beispiellose und ernsthafte Auswirkungen. Bis heute gibt es in Frankreich etwa 25.233 offiziell kontaminierte Personen und 1331 Todesfälle. 

Zudem handelt es sich um eine Krise von globalem Ausmaß. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Coronavirus-Epidemie als eine globale Pandemie und einen globalen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Notstand beschrieben, der sofortiges und wirksames Handeln von Regierungen, Einzelpersonen und Unternehmen erfordert.  

In Frankreich erheben die Behörden in dem Versuch, die Pandemie einzudämmen, fast täglich neue Maßnahmen und Rechts- und Verwaltungstexte, was den außergewöhnlichen, beispiellosen und ernsten Charakter der Situation deutlich macht. 

Diese Entscheidungen der öffentlichen Behörden könnte man nach der französischen Verwaltungsrechtslehre als “faits du prince bezeichnen. Dies sind von der Verwaltung hoheitlich getroffene Maßnahmen, die sich auf Verträge auswirken, deren Vertragspartei sie selbst ist. Der Vertragspartner der Verwaltung hat dann Anspruch auf volle Entschädigung für die durch diese Maßnahme verursachten Kosten hat, wenn diese Maßnahme die Durchführung der vertraglich vorgesehenen Arbeiten gestört hat.

Für das öffentliche Vergabewesen hat die französische Regierung bereits am 28. Februar 2020 erklärt, dass COVID-19 einen Fall der höheren Gewalt darstellt [1].  

Es ist daher wahrscheinlich, dass die gleiche Position für privatrechtliche Verträge eingenommen wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung hierzu offizielle Beschlüsse fasst oder ob sie diese Aufgabe den Gerichten überlässt.

In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht von Colmar gerade die Einstufung der COVID-19-Epidemie als höhere Gewalt in einem Fall bezüglich einer Administrativhaft bestätigt: Die von dieser Maßnahme betroffene Person hatte Kontakt mit Personal, das wahrscheinlich mit dem COVID-19-Virus infiziert war, und konnte nicht zur Anhörung erscheinen. Das Gericht war der Ansicht, dass diese außergewöhnlichen Umstände höhere Gewalt darstellen und die Durchführung der Anhörung in Abwesenheit dieser Person angesichts der gesetzten Fristen rechtfertigen (Colmar, 6. c., 12. März 2020, Nr. 20/01098).  

Schließlich ist es immer wichtig zu prüfen, ob die Vertragspartner nicht eine Klausel über höhere Gewalt in ihre Verträge oder allgemeinen Bedingungen aufgenommen haben. In der Praxis ist es oft so, dass die Vertragsparteien die Ereignisse definieren, die als höhere Gewalt gelten, und somit Gesundheitskrisen und Entscheidungen der Behörden ausschließen. Wenn eine Gesundheitskrise in einer solchen Klausel als höhere Gewalt vorgesehen ist, dann muss geprüft werden, was das anwendbare Recht in einer solchen Situation für Verträge vorsieht.

Alternativ, kann das Konzept der Unvorhersehbarkeit aufgrund von COVID-19 oder Coronavirus geltend gemacht werden?  

Die globale Gesundheitskrise von COVID-19 wurde am 30. Januar 2020 von der WHO als “Public Health Notfall von internationaler Tragweite” qualifiziert.

Sie führt zu wirtschaftlichen und logistischen Schwierigkeiten für die Wirtschaftsakteure, welche möglicherweise überlegen, wie sie ihre Verträge dieser Situation anpassen können. 

Es stellt sich daher die Frage, ob die COVID-19-Epidemie als Grund für eine Vertragsrevision für unvorhersehbare Umstände geltend gemacht werden kann. 

Unvorhersehbarkeit („imprévision“) ist ein Rechtsinstrument, das sich am deutschen Recht orientiert, das erstmals durch die Verordnung Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 zur Reform des Vertragsrechts, der allgemeinen Regelung und des Schuldbeweises in das französische Recht eingeführt wurde.  

Das französische Recht definiert Unvorhersehbarkeit („imprévision“) als eine Änderung der Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar war und welche die Erfüllung der Vertragspflichten für einen Vertragspartner übermäßig belastend macht (Artikel 1195 des Code civil, dem französischen Bürgerlichen Gesetzbuch).  

Um sich auf die Theorie der Unvorhersehbarkeit berufen zu können, muss ein Vertragspartner für folgendes den Nachweis erbringen:

  • eine Änderung der Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar war,  
  • dass diese Änderung die Ausführung des Vertrages für ihn übermäßig belastend macht, 
  • dass er das Risiko nicht vorher akzeptiert hat. 

Wenn diese Bedingungen kumulativ erfüllt sind, kann der Vertragspartner, auf den sich das Risiko bezieht, von der anderen Partei eine Neuverhandlung des Vertrags verlangen, um diesen der neuen Situation anzupassen, muss aber während der Neuverhandlung den Vertrag weiterhin erfüllen. 

Verweigert die andere Partei die Neuverhandlung oder scheitert die Neuverhandlung, können die Parteien vereinbaren, den Vertrag zu beenden, indem sie sich auf das Datum der Vertragsbeendigung und die Bedingungen des Vertrages einigen. Sie können auch in gegenseitigem Einvernehmen den Richter bitten, den Vertrag anzupassen.  

Erzielen die Parteien innerhalb einer angemessenen Frist keine Einigung, steht es jeder Partei frei, die Angelegenheit einem Richter vorzulegen, welcher beschließen kann, den Vertrag zu revidieren oder ihn aufzuheben.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Bestimmungen über Unvorhersehbarkeit nur auf Verträge und allgemeine Bedingungen anwendbar sind, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, d.h. nach dem 1. Oktober 2016, abgeschlossen wurden. Parteien, die ihre Verträge vor diesem Datum abgeschlossen haben, können sich daher a priori nicht auf die Regeln für den Fall der Fälle berufen, es sei denn, sie haben eine solche Klausel in ihren Vereinbarungen aufgenommen (insbesondere Härte-, Neuverhandlungs-, Anpassungsklauseln usw.). 

Ist das Coronavirus eine Art Unvorhersehbarkeit?  

Wie bei der höheren Gewalt scheint es, dass die COVID-19-Gesundheitskrise sehr wohl eine Art der Unvorhersehbarkeit darstellen könnte, der es den Parteien erlaubt, ihren Vertrag neu zu verhandeln, zum Beispiel für die Dauer der Krisensituation. 

Wie bei höherer Gewalt, gibt es für Unvorhersehbarkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine ausreichend fundierte Rechtsprechung, insbesondere was Epidemien angeht, da das Konzept der Unvorhersehbarkeit erst seit Kurzem ins französischen Recht aufgenommen wurde.

Jedoch ist die COVID-19-Pandemie, wie für höhere Gewalt angegeben, eine beispiellose und äußerst ernste Situation von globalem Ausmaß.  

Es ist daher vernünftig anzunehmen, dass die Gesundheitskrise durch COVID-19 eine Ursache für unvorhersehbare Umstände sein könnte. 

Die neue Regel der Unvorhersehbarkeit im französischen Recht, ebenso wie im deutschen, italienischen, polnischen oder japanischen Recht, bestätigt diese Analyse und könnte eine Alternative darstellen, falls höhere Gewalt keine Anwendung findet. 

In jedem Fall ist es ratsam, zunächst zu prüfen, ob die Parteien in ihre Verträge oder allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel aufgenommen haben, die die Fälle der Unvorhersehbarkeit definiert und ihre rechtliche Regelung organisiert oder umgekehrt diese Situation ausdrücklich ausschließt. 

Und selbst bei Vorhandensein einer solchen Klausel können die Parteien vereinbaren, davon abzuweichen und die Vertragsbedingungen spontan und in gutem Glauben erneut zu verhandeln.