Deutsch-Französischer Informationsbrief | März 2020

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.


News Deutschland

  1. STEUERRECHT – Quellenbesteuerung von Dividenden gebietsfremder Pensionsfonds
  2. GESELLSCHAFTSRECHT – Reform: Kontrolle ausländischer Investitionen
  3. GESELLSCHAFTSRECHT – Gesamtrechtsnachfolge: Haftung der übernehmenden Gesellschaft für die von der Zielgesellschaft begangenen rechtswidrigen Handlungen
  4. ARBEITSRECHT – Sexuelle Belästigung, Mobbing und Verleumdung: Aufmerksamkeit ist bei den Adressaten einer Anzeige wegen sexueller Belästigung oder Mobbings geboten!
  5. ARBEITSRECHT – Arbeitgeber: Was tun, um sich auf das Risiko einer Covid-19-Epidemie vorzubereiten?
  6. WIRTSCHAFTSRECHT – Anwendung der Vorschriften des Verbrauchergesetzbuches auf Kleinstunternehmer
  7. WIRTSCHAFTSRECHT – Nichteinhaltung der gesetzlichen Zahlungsfristen – SFR muss Bußgeld i. H. v. 3,7 Mio. EUR zahlen
  8. PROZESSRECHT – Inkrafttreten der Zivilprozessreform
  9. VERFAHRENSRECHT – Beschleunigtes Schiedsverfahrens feiert 3-jähriges Bestehen
  10. IMMOBILIENRECHT – Mieteinnahmen aus einer unbefugten Untervermietung stehen dem Vermieter zu
  11. COMPLIANCE – EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern

News Deutschland

STEUERRECHT – Quellenbesteuerung von Dividenden gebietsfremder Pensionsfonds

Mit Urteil vom 13.11.2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-641/17 entschieden, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung in- und ausländischer Pensionsfonds in Deutschland nicht im Einklang mit der Kapitalverkehrsfreiheit steht. Der EuGH bejahte die EU-Rechtswidrigkeit für den Fall, dass die an gebietsfremde Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden einer endgültigen Quellensteuer unterliegen, während gebietsansässigen Pensionsfonds die Quellensteuer vollständig oder teilweise gutgeschrieben (ggf. sogar erstattet) werden kann. 

Im konkreten Fall bringt der kanadische Pensionsfonds (College Pension Plan of British Columbia) zur Stützung seiner Klage vor, dass er als gebietsfremder Pensionsfonds weniger günstig behandelt worden sei, als gebietsansässige Pensionsfonds, da letztere Dividenden steuerfrei erhalten können. 

Das Finanzgericht München entschied, das Verfahren auszusetzen und legte dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vor, ob ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, wenn die Gesetzgebung eines Mitgliedstaates vorsieht, dass ein gebietsfremder Pensionsfonds keine Befreiung von der Quellensteuer genießt, während ein gebietsansässiger Pensionsfonds eine Rückerstattung dieser Steuer erhalten kann. 

Die deutsche Gesetzgebung sieht eine zweistufige steuerliche Behandlung von Dividenden vor. In der ersten Stufe unterliegen sowohl gebietsansässige als auch gebietsfremde Pensionsfonds der Quellenbesteuerung. 

Diese Quellensteuer wird dann auf die vom gebietsansässigen Fonds geschuldete Körperschaftssteuer angerechnet. Übersteigt der Betrag der Quellensteuer die geschuldete Körperschaftssteuer, wird die Differenz dem Fonds zurückerstattet. Somit ermöglicht das deutsche Steuerrecht, dass Dividenden, die von einem deutschen Unternehmen an einen inländischen Pensionsfonds ausgeschüttet werden, vollständig oder teilweise von der Steuer befreit werden. 

Ausländische Pensionsfonds unterliegen, vorbehaltlich der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens, ebenfalls dem 25% betragenden Quellensteuersatz. Allerdings erlaubt das deutsche Steuerrecht gebietsfremden Pensionsfonds nicht, von den für gebietsansässige Pensionsfonds geltenden Befreiungen zu profitieren. 

Eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung von in- und ausländischen Pensionsfonds dürfte dazu führen, dass Pensionsfonds mit Sitz in einem anderen Staat, davon Abstand nehmen, im Quellenstaat zu investieren. 

Schlussendlich kam der EuGH zum Ergebnis, dass die deutsche Quellebesteuerung gegen die Artikel 63 und 65 AEUV, die die Kapitalverkehrsfreiheit gewährleisten, verstößt. 

GESELLSCHAFTSRECHT – Reform: Kontrolle ausländischer Investitionen

Eine Verordnung („Décret“) vom 31.12.2019 verstärkt die Regeln des Code Monétaire et Financier bezüglich der Kontrolle ausländischer Investitionen in Frankreich. Diese Verordnung erleichtert einerseits das Genehmigungsverfahren im Rahmen der Europäischen Verordnung 2019/452 vom 19.03.2019 und ergänzt andererseits die durch das sogenannte „PACTE“ Gesetz vom 22.05.2019 bestehende Genehmigungsprozedur.

Unberührt bleibt der Grundsatz, dass ausländische Investitionen nur dann einer Genehmigung bedürfen, wenn sie Aktivitäten betreffen, die die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die nationale Verteidigung beeinträchtigen könnten (vgl. Artikel L151 ff des Code Monétaire et Financier).

Diese „kritischen“ Bereiche wurden verschiedentlich durch französische Verordnungen präzisiert. Sie umfassen alles, was mit der Rüstung oder der nationalen Sicherheit zusammenhängt, insbesondere Aktivitäten im Auftrag des Verteidigungsministeriums, bestimmte kritische Technologien (Cybersicherheit, Verschlüsselungstechniken, Abhören von Korrespondenzen …) oder zugelassene private Sicherheitsdienste.

Sie erfassen ebenfalls Infrastrukturen, die in folgenden Bereichen als wesentlich angesehen werden: Energie-, Wasser-, Elektrizitätsversorgung, Verkehrsnetze und -dienste, elektronische Kommunikationsnetze und-dienste, Luft- und Raumfahrt sowie Dienste, die die öffentliche Gesundheit betreffen.

Die letzte Verordnung vom 31.12.2019 fügt Aktivitäten dazu, die die Lebensmittelsicherheit, sowie – etwas außerhalb des Sicherheitsrahmens –  Print- und Onlinemedien betreffen können. 

Um festzustellen, ob eine Investition in einen dieser „kritischen“ Bereich fällt, hat der Investor wie auch die französische Zielgesellschaft die Möglichkeit, die Direction du Trésor im Wirtschafts- und Finanzministerium zu befragen. Diese hat binnen zwei Monaten Auskunft zu erteilen.

Wenn ein formeller Investitionsantrag gestellt wird, hat das Ministerium binnen 30 Tagen mitzuteilen, ob es die Genehmigung (gegebenenfalls unter Auflagen) erteilt, verweigert oder ob es, in schwierigeren Fällen, eine zusätzliche Frist von 45 Tagen benötigt. In der Praxis können diese Fristen durch Ersuchen um zusätzliche Informationen verlängert werden, wenn das Ministerium die Akte für unvollständig hält. Entgegen der bisherigen Rechtslage, in der das Ausbleiben einer Antwort innerhalb der Frist als Genehmigung gilt, kommt eine Nichtbeantwortung von Anträgen, die ab dem 01.04.2020 eingereicht werden, einer Ablehnung gleich. 

Darüber hinaus enthält die Verordnung vom 31.12.2019 verschieden neue Regeln:

  • Eine französische Gesellschaft wird dennoch als ausländischer Investor angesehen, wenn ihr Kapital direkt oder indirekt durch eine im Ausland ansässige natürliche Personen kontrolliert wird;
  • In dem Genehmigungsantrag muss der ausländische Investor alle Verbindungen, die er mit einem ausländischen Staat hält, offenlegen;
  • Für ausländische Investoren, die als nicht Angehörige der Europäischen Union gelten, sind Investitionen in „kritischen“ Bereichen bereits ab einer Beteiligung von 25% (bisher 33%) der Stimmrechte genehmigungspflichtig. Diese Regel gilt nicht für Investoren der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums, für die weiterhin die Genehmigungspflicht erst dann eingreift, wenn die absolute Mehrheit der Stimmrechte erworben wird, bzw. die absolute Kontrolle aus anderen Elementen abgeleitet wird (Erwerb von 40% der Stimmrechte wenn kein anderer, gleichwertiger Gesellschafter besteht, oder „de facto“ Kontrolle der Gesellschafterversammlung oder der Organe der Zielgesellschaft -vgl. Definition in Artikel L233-3 des Handelsgesetzbuches)

Sollte eine Investition in einem „kritischen“ Bereich ohne vorherige Genehmigung durchgeführt worden sein, stehen dem Ministerium verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. So kann das Ministerium verlangen, dass ein Genehmigungsantrag gestellt wird, oder, dass die Investition ganz oder teilweise (durch partielle Weiterveräusserung) rückgängig gemacht wird. Falls erforderlich, kann das Ministerium auch provisorische Maßnahmen, wie die Ernennung eines Zwangsverwalters bis zu einer endgültigen Entscheidung, ergreifen.

In der Praxis sind die Fälle, in denen die Ablehnung eines Genehmigungsantrags bekannt geworden sind, selten. Allerdings gibt es eine „Grauzone “ in der Genehmigungsanträge auf Druck des Ministeriums vor endgültiger Entscheidung zurückgezogen worden sind.

GESELLSCHAFTSRECHT – Gesamtrechtsnachfolge: Haftung der übernehmenden Gesellschaft für die von der Zielgesellschaft begangenen rechtswidrigen Handlungen

Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 1. Oktober 2019 bestätigt die bereits vom französischen Kassationshof (cour de cassation) in einer Entscheidung vom 21. Januar 2014 und vom Verfassungsrat (conseil constitutionnel) in einer Entscheidung vom 18. Mai 2016 eingenommen Positionen.  

Im konkreten Fall wurde die Gesellschaft Carrefour France gemäß der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Artikels L. 442-6 des französischen Handelsgesetzbuches vom Oberlandesgericht Orleans wegen unlauterer Geschäftspraktiken ihrer Tochtergesellschaft verurteilt, die darauf abzielten , Vorteile von einigen ihrer Lieferanten zu erhalten, die in einem offensichtlichen Missverhältnis zur erbrachten Gegenleistung standen.

Nachdem die Berufung vor dem Kassationshof abgelehnt wurde, legte Carrefour France die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit der Begründung vor, dass das Urteil gegen Artikel 6 Abs. I und II der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Aus dem geht hervor, dass eine Person nicht für die einer anderen Person begangenen Handlung bestraft werden kann (Grundsatz des persönlichen Charakters von Strafen).

Der EGMR vertritt die Auffassung, dass die übernehmende Gesellschaft für Handlungen, die von der übernommen Gesellschaft begangen wurden, mit einer zivilrechtlichen Geldbuße belegt werden kann, ohne dass dies eine Verletzung des Grundsatzes des persönlichen Charakters von Strafen darstellt. Der EGMR folgt dem Prinzip der wirtschaftlichen und funktionellen Kontinuität des Unternehmens: Auch wenn das Unternehmen infolge der Übernahme als solches aufhört, zu existieren, wird dessen Tätigkeit durch das übernehmende Unternehmen fortgesetzt. 

Der EGMR versucht somit, dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtswirksamkeit gerecht zu werden, indem er die Möglichkeit der Umgehung der Vollstreckbarkeit von Strafen durch die Geltendmachung einer Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (transmission universelle du patrimoine) ausschließt. 

Diese Entscheidung des EGMR erfolgte kurz vor Veröffentlichung eines Leitfadens für Antikorruptionskontrollen im Rahmen von Fusionen und Übernahmen durch die französischen Anti-Korruptionsbehörde (AFA) im Januar 2020.  Mit diesem Leitfaden gibt die französische Anti-Korruptionsbehörde Empfehlungen für Anti-Korruptionskontrollen, die insbesondere darauf abzielen, eine mögliche Verwicklung des Zielunternehmens in einen Korruptionsfall zu überprüfen. Angesichts der Rechtsprechung des EGMR wird Gesellschaften dazu geraten, die Empfehlungen der französischen Anti-Korruptionsbehörde im Rahmen von Fusions- und Übernahmetransaktionen zu beachten.

ARBEITSRECHT – Sexuelle Belästigung, Mobbing und Verleumdung: Aufmerksamkeit ist bei den Adressaten einer Anzeige wegen sexueller Belästigung oder Mobbings geboten!

Mit  Urteil vom 26.11.2019 (n°19-80.360) hat der Kassationshof den Schutz der Arbeitnehmer vor einer Strafverfolgung wegen Verleumdung im Falle einer Anzeige wegen sexueller Belästigung oder Mobbing genauer definiert. Um seine strafrechtlichen Verfolgung zu vermeiden, muss der Arbeitnehmer den Kreis der Adressaten seiner Anzeige auf seinen Arbeitgeber, oder die für die Einhaltung des Arbeitsrechts zuständigen Stellen, einschließlich der Arbeitsinspektion („inspection du travail“), beschränken. 

Unter Verleumdung versteht man nach französischem Recht „jede Behauptung oder Unterstellung einer Handlung, die die Ehre oder das Ansehen der Person oder Einrichtung, der die Handlung zugeschrieben wird, beeinträchtigt“ (Artikel 29 des Gesetzes vom 29.07.1881 über Pressefreiheit). 

Seit 2016 (Kassationshof, 28.09.2016, n°15-21.823) gilt die  Rechtsprechung, dass Arbeitnehmer vor einer Strafverfolgung wegen Verleumdung geschützt sind, wenn sie Tatsachen anzeigen, die sexuelle Belästigung oder Mobbing betreffen. Nach dem hier zitierten Urteil gilt dieser Schutz aber nur, wenn die Anzeige an bestimmte Adressaten gerichtet wurde. 

Eine Arbeitnehmerin eines Verbandes hatte Tatsachen betreffend Mobbing und sexueller Belästigung im Rahmen einer E-Mail angezeigt. Diese war nicht nur an den Verbandsvorsitzenden und an die Arbeitsinspektion gerichtet worden, sondern auch an einen anderen Arbeitnehmer des Verbandes, an ihren Ehemann, an den Täter und an einen der Söhne des letztgenannten.    

Der durch diese E-Mail angezeigte Arbeitnehmer, hatte die betroffene Mitarbeiterin vor das erstinstanzliche Strafgericht („tribunal correctionnel“) geladen, das sie wegen Verleumdung gegenüber einer Privatperson für schuldig erklärte. Die Einlegung einer Berufung durch die Arbeitnehmerin blieb ohne Erfolg, da das Berufungsgericht ihre Verurteilung bestätigt hatte.  

Das Urteil des Berufungsgerichts wurde vom Kassationshof mit der Begründung bestätigt, dass sich die Arbeitnehmerin der Verleumdung schuldig gemacht hat, indem sie die Tatsachen der sexuellen Belästigung und des Mobbings gegenüber Personen außerhalb des Verbandes angeprangert hat, die nicht mit der Einhaltung des Arbeitsrechts betraut waren. 

In der Praxis muss der Arbeitnehmer darauf achten, seine Anzeige über Akte der sexuellen Belästigung und Mobbing nur an die Personal- oder Rechtsabteilung seines Arbeitgebers, an die Arbeitsinspektion, an Mitglieder der Personalvertretung oder dem für die Bekämpfung sexueller Belästigung und sexistischer Handlungen zuständigen Beauftragten (falls vorhanden) zu richten. 

Er muss ferner darauf achten, die Anzeige bewusst unwahrer Tatsachen zu vermeiden , um nicht wegen falscher Verdächtigung verurteilt zu werden. Dies wurde  bereits 2016 vom Kassationshof festgelegt (Kassationshof, 28.09.2016, n°15-21.823). 

Arbeitgeber, die Adressaten einer Anzeige betreffend Tatsachen von sexueller Belästigung oder Mobbings sind, sind dazu verpflichtet eine interne Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen. Falls er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, kann sich der Arbeitgeber wegen Verletzung seiner Pflicht zur Vorbeugung von beruflichen Risiken schadensersatzpflichtig machen, selbst wenn der Tatbestand der sexuellen Belästigung oder des Mobbings letztendendes nicht festgesellt wird (Kassationshof, 27.11.2019, n°18-10.551). 

ARBEITSRECHT – Arbeitgeber: Was tun, um sich auf das Risiko einer Covid-19-Epidemie vorzubereiten?

Angesichts des Risikos einer Coronavirus-Pandemie erscheint es uns wichtig, Sie über die Maßnahmen zu informieren, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Sicherheitsverpflichtung ergreifen muss, um das Risiko der Ansteckung und der Verbreitung des Virus zu vermeiden, und die Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit zu ermöglichen.

 

Wir erinnern Sie daran, dass dem Arbeitgeber gemäß Artikel L. 4121-1 des Arbeitsgesetzbuches eine Pflicht zur Vorbeugung beruflicher Risiken obliegt. Er muss daher in Abstimmung mit dem arbeitsmedizinischen Dienst und nach Information und Anhörung des Betriebsrats alle für den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Der Arbeitgeber muss gleichzeitig vorbeugende Maßnahmen zum Schutz seiner Arbeitnehmer und Maßnahmen zur Fortsetzung seiner Geschäftstätigkeit ergreifen.

 

Zusammengefasst muss der Arbeitgeber:

  • anhand des Grades der Exposition (Arbeitnehmer mit Kundenkontakt, die im Team arbeiten, in Kontakt mit erkrankten Personen, …) die Risiken für seine Arbeitnehmer identifizieren
  • in Abhängigkeit von den identifizierten Risiken in Abstimmung mit dem Betriebsrat, dem arbeitsmedizinischen Dienst und ggf. der Arbeitsinspektion alle notwendigen präventiven Maßnahmen ergreifen:
    • die Arbeitnehmer über die Ansteckungsrisiken informieren (Website, Informationsunterlagen und -veranstaltungen, etc.)
    • ggf. die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung aktualisieren
    • die Arbeitnehmer an grundlegende Hygieneregeln erinnern, wie z.B. regelmäßiges Händewaschen mit Seife oder Desinfizierung mit alkoholischem Desinfektionsmittel, Verwendung von Papiertaschentüchern, regelmäßiges Lüften von Räumen
    • für die Sauberkeit der Räume durch die regelmäßige Verwendung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sorgen
    • den Arbeitnehmern Sicherheitshinweise geben und sie angemessen ausstatten (Hygieneprodukte, Atemschutzmasken FFP2, …); ggf. die Entsorgung von Abfällen, wie gebrauchte Atemschutzmasken organisieren
  • alle für die Aufrechterhaltung des Betriebs des Unternehmens notwendigen Maßnahmen ergreifen. Hierfür muss er alle Maßnahmen, wie Telearbeit, Änderung von Arbeitszeiten, Wegfall von Geschäftsreisen, etc. in Betracht ziehen.

 

Ein Erlass vom 31. Januar 2020 sieht vor, dass Arbeitnehmer, die dem Virus ausgesetzt sind, von Isolationsmaßnahmen betroffen oder in häuslicher Quarantäne sind, und die deshalb nicht arbeiten können, während einer Dauer von höchsten zwanzig Tagen Krankentagesgelder erhalten können.

 

Sollten die Arbeitnehmer länger isoliert sein, dann kann der Arbeitgeber zur Vermeidung von Gehaltsverlusten vorsehen, dass während dieses Zeitraums Urlaubs- oder Ruhetage gewährt oder dass die Fehlzeiten mit auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Tagen verrechnet werden.

WIRTSCHAFTSRECHT – Anwendung der Vorschriften des Verbrauchergesetzbuches auf Kleinstunternehmer

Anders als in Deutschland, können in Frankreich ansässige Unternehmer, die nicht mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigen, unter bestimmten Voraussetzungen die Schutzbestimmungen des französischen Verbrauchergesetzbuches in Anspruch nehmen.

Das französische Gesetz Nr. 2014-344 vom 17. März 2014, besser bekannt als das „Loi Hamon“, hatte die auf die Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern geltenden Regeln auf bestimmte Verträge erweitert. Diese Erweiterung gilt insbesondere für Verträge zwischen zwei Unternehmen, die außerhalb deren Niederlassung abgeschlossen werden, deren Vertragsgegenstand nicht in den Bereich der Haupttätigkeit des erwerbenden Unternehmers fällt und dieser nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. 

Aufgrund dieses Gesetzes wurde daher der Artikel L121-16-1 in das französische Verbrauchergesetzbuch aufgenommen, der vorsieht, dass bestimmte Unternehmer bei Verträgen, die sie mit anderen Unternehmern außerhalb der Niederlassung abgeschlossen haben, bestimmte Schutzbestimmungen des französischen Verbrauchergesetzbuchs in Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren in Anspruch nehmen können. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Vertragsgegenstand nicht in den Bereich der Haupttätigkeit des erwerbenden Unternehmers fällt und dieser nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.

In einem solchen Fall wird dem erwerbenden Unternehmer eine Widerrufsfrist von vierzehn Tagen eingeräumt, sein Vertragspartner dazu verpflichtet, ihm den geschlossenen Vertrag auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln und diesem vor Vertragsabschluss im Rahmen der vorvertraglichen Informationspflicht, insbesondere über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, zu belehren.

Der Begriff des Vertrags “außerhalb des Bereichs der Haupttätigkeit” wurde jedoch nicht vom Gesetzgeber definiert und musste noch durch die Rechtsprechung präzisiert werden. In einem Urteil vom 12.9.2018 (Cass. civ. 1ère, 12.9.2018, Nr. 17-17319) hatte der Kassationshof bereits entschieden, dass kommerzielle Kommunikation und Werbung über eine Internetseite nicht dem Bereich der Haupttätigkeit eines Architekten zugeordnet werden kann. In einem Urteil vom 27.11.2019 (Cass. civ. 1ère, 27.11.2019, Nr. 18-22.525) entschied der Kassationshof, dass ein Auftrag für Werbung in einem lokalen Verzeichnis, als eine außerhalb des Bereichs der Haupttätigkeit eines in der Herstellung und Lieferung von Brennholz tätigen Unternehmers betrachtet werden kann. Im konkreten Fall fanden daher die Schutzbestimmungen des Verbrauchergesetzes zugunsten des Unternehmers Anwendung.

Diese Entscheidung des Kassationshofs geht in Richtung einer weiten Auslegung des Begriffes „außerhalb des Bereichs der Haupttätigkeit“. Einer solchen Entscheidung kann man nur zustimmen, da sie unabhängige Einzelunternehmer vor aggressiver Kundenwerbung schützt, der diese oft hilflos ausgesetzt sind.

WIRTSCHAFTSRECHT – Nichteinhaltung der gesetzlichen Zahlungsfristen – SFR muss Bußgeld i. H. v. 3,7 Mio. EUR zahlen

In einer Entscheidung vom November 2019 hat die zuständige Behörde ein Bußgeld in Höhe von 3,7 Mio. EUR gegen den Telekommunikationsanbieter SFR wegen wiederholter Verstöße gegen die Bestimmungen des französischen Handelsgesetzbuches verhängt. SFR hat wiederholt gegen die gesetzlichen Bestimmungen über Zahlungsfristen verstoßen (12 862 von 39 787 überprüften Rechnungen, d.h. 32% der Rechnungen, wurden zu spät beglichen).

Dieser Betrag liegt nahe an der in Artikel L441-16 des französischen Handelsgesetzbuches vorgesehenen Höchststrafe von 4 Mio. EUR, die bei wiederholtem Verstoß gegen die Bestimmungen über Zahlungsfristen verhängt werden kann. Zusätzlich zur Zahlung des Bußgeldes, muss die ausgesprochene Sanktion für die Dauer von drei Monaten auf der Website des Unternehmens sowie auf der Website der Behörde, die die Sanktion verhängt hat, veröffentlicht werden. 

Für die Begleichung von Rechnungen gilt in Frankreich grundsätzlich eine gesetzliche Zahlungsfrist von 30 Tagen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Entgegennahme der Ware bzw. der Erbringung der gewünschten Dienstleistung zu laufen und muss grundsätzlich eingehalten werden. Die Parteien können jedoch in den Verkaufsbedingungen oder im Rahmen einer Parteivereinbarung andere Zahlungsfristen vorsehen (Artikel L441-10 des französischen Handelsgesetzbuches). Die von der gesetzlichen Frist abweichenden Zahlungsfristen dürfen 60 Tage bzw. 45 Tage zum Ende des Monats, nachdem Datum der Rechnungsausstellung nicht überschreiten.

PROZESSRECHT – Inkrafttreten der Zivilprozessreform

Durch die Verordnung Nr. 2019-1419 vom 17.7.2019 und mit dem Dekret Nr.2019-1333 vom 9.12.2019 hat die Regierung eine grundlegende Reform des Zivilprozessrechts eingeführt. 

Das gemäß dem Gesetz Nr. 2019-222 vom 23.3.2019 über die Gestaltung für 2018-2022 und die Reform des Justizsystems erlassene Dekret, zielt darauf ab die Zugänglichkeit und das Qualitätsniveau der Justiz für die Prozessparteien zu verbessern.

Einrichtung des tribunal judiciaire (Landgericht) 

Die Reform sieht vor allem eine Änderung der Organisation der Justiz vor, indem sie das tribunal d’instance (Amtsgericht) und das tribunal de grande instance (Großinstanzgericht) zusammenlegt. Folglich gibt es für die die prozessführende Partei in erster Instanz nur noch eine Zuständigkeit, und zwar das tribunal judiciaire.

Das tribunal judiciaire besitzt die allgemeine Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen, sofern die Zuständigkeit aufgrund der Klageart nicht einem anderen Gericht übertragen worden ist. Das tribunal judiciaire verfügt auch über eine besondere Zuständigkeit. Diese beinhaltet die meisten der ausschließlichen Zuständigkeiten der ehemaligen tribunaux de grande instance und bestimmte Sonderzuständigkeiten der ehemaligen tribunaux d’instance.

Darüber hinaus können bestimmte tribunaux judiciaires speziell dafür eingerichtet werden, bestimmte durch das Dekret festgelegte Angelegenheiten eigenständig zu verhandeln.

Schließlich können im Rahmen eines bestimmten tribunal judiciaire auch sogenannte lokale Kammern, die nicht am Sitz des tribunal judiciaire ansässig sind, geschaffen werden. Diese sind für Bagatellsachen zuständig. Der Sitz sowie die örtliche und materielle Zuständigkeit werden durch das Dekret bestimmt.

Die ehemaligen Amtsrichter erhalten künftig den Status des Richters in Schutzsachen, was dazu führt das ihr Zuständigkeitsbereich reduziert wird. Im Wesentlichen sind sie für Angelegenheiten des Betreuungsrechts, Wohnungsmietrechts, und teilweise Verbraucherrechts,  etc. zuständig. Im Unterschied dazu werden die Kompetenzen des zivilrechtlichen Richters im Vorverfahren erweitert.

Die Geschäftsstellen der Arbeitsgerichte werden mit denen des tribunal judiciaire zusammengelegt. 

Anrufung des tribunal judiciaire und Anwaltszwang

Bei der Anrufung des Gerichts wegen einer Rechtsstreitigkeit sieht die Reform Änderungen der gesetzlich vorgeschriebenen Angaben in der Klageschrift und in den Anträgen vor. 

Ferner sieht die Reform auch eine deutliche Erweiterung des Anwaltszwanges vor. Die Prozessparteien werden, abgesehen von einigen Ausnahmen, grundsätzlich dazu verpflichtet, sich für mündliche und schriftliche Verhandlungen vor dem tribunal judiciaire anwaltlich vertreten zu lassen. Darüber hinaus gilt der Anwaltszwang auch für Rechtsstreitigkeiten vor dem Handelsgericht mit einem Streitwert von über 10.000 Euro.

Verfahren ohne Anhörung vor dem tribunal judiciaire (Landgericht)

Vor dem tribunal judiciaire haben die Prozessparteien die Möglichkeit, sich auf ein Verfahren ohne Anhörung zu einigen. Folglich handelt sich dann um ein ausschließlich schriftliches Verfahren. 

Mitbestimmungsverfahren vor dem tribunal judiciaire (Landgericht) 

Die Reform räumt alternative Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung ein, um eine gütliche Einigung von Streitigkeiten zu fördern. Vor dem tribunal judiciaire können die Prozessparteien nun eine Vereinbarung über ein sog. Mitbestimmungsverfahren in der Prozessphase vor der mündlichen Verhandlung abschließen. 

Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Reform beinhaltet unter anderem eine Neuerung die darin besteht, dass erstinstanzliche Entscheidungen grundsätzlich vorläufig vollstreckbar sind, sofern das Gesetz oder die ergangene Entscheidung nichts anderes vorsehen. 

Inkrafttreten der Reform

Die Reform gilt  grundsätzlich seitdem 1.1.2020 für alle neuen und bereits anhängigen Verfahren. Dieser Grundsatz enthält einige Ausnahmen, die in Artikel 55 Absatz 2 und 55 Absatz 3 des Dekrets vorgesehen sind. 

VERFAHRENSRECHT – Beschleunigtes Schiedsverfahrens feiert 3-jähriges Bestehen

Zur Erinnerung: Am 01.03.2017 trat die neue überarbeitete Schiedsordnung der ICC in Kraft. Diese Überarbeitung hatte das Ziel, den Parteien ein schnelleres, effizienteres und transparenteres Schiedsverfahren zu ermöglichen. 

Alle nach dem 01.03.2017 abgeschlossenen Schiedsklauseln unterliegen diesem beschleunigten Verfahren, sofern sie folgende Bedingungen erfüllen: Die Parteien müssen sich auf ein Schiedsverfahren nach der ICC-Schiedsgerichtsordnung einigen und der Streitwert darf 2.000.000 USD nicht überschreiten. Allerdings können die Parteien  auch vereinbaren, dass das beschleunigte Verfahren unabhängig von der Höhe des Streitwertes Anwendung findet.

Das beschleunigte Verfahren ist jedoch in drei Fällen nicht anwendbar, wenn:

  • die Schiedsvereinbarung vor dem 01.03.2017 geschlossen wurde,
  • die Anwendung des beschleunigten Verfahrens ausgeschlossen wurde, oder
  • der Internationale Schiedsgerichtshof auf Antrag einer Partei vor der Konstituierung des Schiedsgerichts oder von Amts wegen feststellt, dass die Anwendung des beschleunigten Verfahrens unter den gegebenen Umständen unangemessen ist.

Das beschleunigte Verfahren sieht die Bestellung eines Einzelschiedsrichters statt dreier zur Entscheidung der Streitigkeit vor, was eine Begrenzung der Schiedsrichterhonorare ermöglicht. Die Honorare des Schiedsrichters sind niedriger als im ordentlichen Verfahren. Ferner kann die Bestellung eines Einzelschiedsrichters auch dann erfolgen, wenn die Schiedsvereinbarung etwas anderes vorsieht.

Des Weiteren werden die Verfahrensregeln vereinfacht. Es wird kein Schiedsauftrag erstellt. Die Verfahrenskonferenz findet grundsätzlich spätestens 15 Tage nach der Einreichung der Akte beim Schiedsgericht statt. Die Parteien können hinsichtlich Anzahl, Länge und Umfang der Schriftsätze und Erklärungen beschränkt werden. Darüber hinaus kann vorgesehen werden, dass es keine mündliche Verhandlung oder Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen geben soll. Schließlich sollte der Schiedsspruch normalerweise innerhalb von sechs Monaten nach der Verfahrenskonferenz erlassen werden.

Das beschleunigte Verfahren schließt nicht aus, dass die Parteien an einem Mediationsverfahren teilnehmen können, das von der ICC organisiert werden kann. Die Parteien können auch dann eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit erzielen, wenn das Schiedsgericht bereits konstituiert ist. Ferner können sie auch vorläufige oder sichernde Maßnahmen beantragen.

GGV Insider: Das beschleunigte Verfahren ist vorteilhaft und sollte die Parteien dazu ermutigen, häufiger Schiedsklauseln in ihre Verträge aufzunehmen.

IMMOBILIENRECHT – Mieteinnahmen aus einer unbefugten Untervermietung stehen dem Vermieter zu

Der Kassationshof hat in einem Urteil vom 12.09.2019 entschieden, dass die vom Mieter aufgrund einer unbefugten Untervermietung erzielten Mieteinnahmen per se im Eigentum des Vermieters stehen. Sofern der Vermieter die Untervermietung nicht genehmigt hat, kann er die vom Mieter erhaltenen Einnahmen aus der Untervermietung herausverlangen.

Ein Mieter hatte einen Wohnungsmietvertrag unterzeichnet, der eine Untervermietung ohne eine vorherige Genehmigung des Vermieters untersagt.

Der Mieter hat die gegenständliche Wohnung dennoch für mehrere Jahre ohne eine vorherige Genehmigung des Vermieters untervermietet.

Der Vermieter übertrug  das Eigentum an dem Gebäude auf einen neuen Vermieter. Letzterer hat den Mieter aufgrund seines Eigentumsrechts an den im Rahmen der Untervermietung  gezahlten Untermietbeiträgen vor Gericht verklagt.

Das Eigentumsrecht des Eigentümers an einer Sache umfasst all das, was aus der Sache hervorgeht und was im Übrigen damit verbunden ist, einschließlich der zivilen Früchte (Art. 546-547 Französisches Zivilgesetzbuch).

Der Kassationshof gab dem Vermieter recht. Er führte dabei aus, dass die vom Mieter eingenommen Untermietbeiträge zivile Früchte darstellen, die aufgrund des  Zuwachsrechts dem Vermieter gehören, es sei denn, dass die Untervermietung wurde vom Vermieter genehmigt.

Diese Lösung findet auf alle Arten von Mietverträgen, einschließlich gewerblicher Mietverträge, Anwendung. Diese Entscheidung begünstigt den Vermieter. Der Mieter muss somit bei jeder Untervermietung eine vorherige Genehmigung des Vermieters einholen, um eine Herausgabe der erhaltenen Untermietbeiträge an den Vermieter zu vermeiden.

Bei gewerblichen Mietverträgen ist, sofern nicht anders vorgesehen, jegliche Form der Untervermietung verboten. Der Mieter eines gewerblichen Mietvertrags, der die Räumlichkeiten untervermieten möchte, muss die vorherige Genehmigung des Vermieters durch Gerichtsvollzieher oder per Einschreiben mit Rückschein einholen (Art. L. 145-31  Französisches Handelsgesetzbuch).

GGV empfiehlt: Achten Sie bei der Vertragsgestaltung eines Mietvertrages besonders auf die Untervermietungsklausel. Eine Genehmigung  zur Untervermietung kann vom Vermieter erteilt werden, sobald der Mietvertrag abgeschlossen ist. Außerdem raten wir dem Mieter, einen schriftlichen Nachweis über die Genehmigung des Vermieters zur Untervermietung einzuholen, um eine Herausgabe der eingenommenen Untermietbeiträge an den Vermieter zu vermeiden.

COMPLIANCE – EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern

Am 23. Oktober 2019 verabschiedete das Europäische Parlament die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Die Umsetzung der Richtlinie bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 17. Dezember 2021 wird zu signifikanten Änderungen des in Frankreich geltenden Antikorruptionsgesetz Sapin II führen.

Ziel der Richtlinie ist es, ein einheitliches Schutzniveau für Hinweisgeber innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten. Die EU-Richtlinie nimmt besonders Unternehmen in die Pflicht. Daher werden auch diese die ersten sein, die sich anpassen müssen. Entsprechend dem bereits in Frankreich seit der Einführung des Sapin-II-Gesetzes geltenden Schwellwerts, werden nun EU-weit Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern dazu verpflichtet, einen internen Meldekanal einzurichten. 

Die erste wesentliche Änderung ist die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs. Demnach kann jede gutgläubig handelnde natürliche Person im Rahmen ihres (früheren, gegenwärtigen oder künftigen) Beschäftigungsverhältnisses und unter Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens einen Hinweis melden. Die bisher in den französischen Vorschriften geltenden Voraussetzungen, nach denen der Hinweisgeber neben der Gutgläubigkeit auch uneigennützig handeln, sowie persönlich Kenntnis von den gemeldeten Tatsachen haben muss, sind künftig obsolet.

Die zweite wesentliche Änderung ist das gleichberichtigte Nebeneinanderstehen von internen und externen Meldungen. Es ist vorgesehen, dass der Hinweisgeber sich direkt an die Behörden wenden kann, ohne zuvor den internen Meldekanal genutzt zu haben. Folglich wird die im französischen Recht festgelegte Vorrangigkeit des internen Meldekanals künftig nicht mehr gelten. Darüber hinaus ist eine Offenlegung nicht nur dann möglich, wenn eine zuvor erfolgte Meldung erfolglos geblieben ist, sondern auch bei einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefahr für das öffentliche Interesse, bei drohenden Repressalien, bei geringen Aussichten eines wirksamen Vorgehens gegen den Verstoß, bei Gefahr der Verschleierung von Beweismitteln oder bei der Gefahr von Absprachen zwischen dem Empfänger der Meldung und dem Urheber des Verstoßes.

Die Einrichtung wirksamer und unparteiischer interner Meldekanäle stellt daher eine absolute Notwendigkeit dar. Darüber hinaus geht es neben der Einhaltung der Gesetze auch darum, unvollständige Systeme zu vermeiden, die die Tür für Meldungen bei Behörden oder in der Öffentlichkeit öffnen würden. Dies schadet zwangsläufig dem Image des Unternehmens, unabhängig davon, ob die Meldungen berechtigt sind oder nicht. Zu den Verpflichtungen hinsichtlich des internen Meldekanals gehören insbesondere die strikte Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers, die Möglichkeit mündliche oder schriftliche Meldungen zu erhalten und die strikte Einhaltung von Fristen: sieben Tage für die Eingangsbestätigung der Meldung und drei Monate für die Untersuchung der gemeldeten Tatsachen.

Schließlich schützt die Richtlinie neben dem Hinweisgeber auch „Mittler“(Dritte die mit dem Hinweisgeber in Verbindung stehen) sowie mit dem Hinweisgeber verbundene juristische Personen (z.B. die in seinem Eigentum stehen) vor Repressalien. Hinzu kommt die Beweislastumkehr im Falle von Repressalien sowie das Entfallen der zivil- und strafrechtlichen Verantwortung, selbst bei einer Offenlegung von Betriebsgeheimnissen. 

Fazit: Die Einrichtung eines zuverlässigen und effizienten internen Meldekanals ist ab sofort unerlässlich, um zum einen im Einklang mit dem geltenden Sapin-II-Gesetz zu sein und andererseits die Umsetzung der oben genannten Richtlinienbestimmungen vorzubereiten.