Publikationen 19 August 2025

Deutsch-Französischer Informationsbrief | Sommer 2025

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In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche wie steuerrechtliche Entwicklungen in Frankreich informieren. Die deutsch-französischen Anwälte von GGV, die die verschiedenen Beiträge zu diese Brief verfasst haben, sind alle in der Beratung von Unternehmen in ihren grenzüberschreitenden Fragen spezialisiert.

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INHALT:

 

 

IMMOBILIENRECHT – Bekräftigung der wesentlichen Pflichten des Vermieters durch den Kassationsgerichtshof

Artikel 1170 des französischen Zivilgesetzbuchs bestimmt, dass „eine Vertragsbestimmung, die einer wesentlichen Verpflichtung des Schuldners ihren Wesensgehalt entzieht, ist nichtig”.

Für den Vermieter können zwei Pflichten als wesentlich angesehen werden; hiervon kann er durch keine entgegenstehenden Vertragsbestimmungen befreit werden.

Die erste wesentliche Verpflichtung ist die Übergabepflicht (Kassationsgerichtshof 3. Zivilkammer, 1. Juni 2005, Nr. 04-12.200).

Die zweite wesentliche Verpflichtung des Vermieters besteht darin, dem Mieter eine ungestörte Nutzung zu gewährleisten.

Zwei Urteile aus diesem Jahr der 3. Zivilkammer des Kassationsgerichtshofs haben den wesentlichen Charakter dieser gesetzlichen Verpflichtungen erneut bestätigt.

Das erste Urteil (Kassationsgerichtshof 3. Zivilkammer, 10. April 2025, Nr. 23-14.974), durch das das Urteil der Vorinstanz teilweise aufgehoben wurde bekräftigt die wesentliche Bedeutung der dem Vermieter obliegenden Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht.

In der Rechtssache, die Gegenstand des hier besprochenen Urteils ist, enthielt der Mietvertrag (für Büroräume) eine Bestimmung, wonach der Mieter auf jegliche Ansprüche für Schäden verzichtet, die an den gemieteten Räumlichkeiten an beweglichen Gegenständen, Waren oder Materialien, unabhängig von deren Herkunft, aufgrund von Nutzungsentzug oder Nutzungsbeeinträchtigungen der gemieteten Räumlichkeiten entstehen.

Der Vermieter machte daher geltend, er sei von seiner Leistungspflicht befreit, obwohl die Mietsache durch einen Wasserschaden beeinträchtigt war.

Das Berufungsgericht folgte dieser Argumentation, doch vertrat der Kassationsgerichtshof eine andere Auffassung.

Nach einem Hinweis auf den Inhalt der Artikel 1719 und 1720 des französischen Zivilgesetzbuchs stellte das Gericht in einer Grundsatzentscheidung fest, dass „eine Vertragsbestimmung über einen Rückgriffsverzicht, die nicht darauf abzielt, dem Mieter bestimmte Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten aufzuerlegen, nicht zur Folge hat, dass der Vermieter von seiner Leistungspflicht befreit wird”.

In dem zweiten hier besprochenen Urteil (Kassationsgerichtshof 3. Zivilkammer, 19. Juni 2025, Nr. 23-18.853) mussten aufgrund von Schäden am Gemeinschaftseigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft Reparaturarbeiten an den Zwischendecken in den gemieteten Privaträumen durchgeführt werden.

Der Kassationsgerichtshof stellt klar, dass die Vermieterin, nachdem sie über die Schäden informiert worden war, diese beheben musste und sie, „sofern sie die Instandsetzungsarbeiten an den Zwischendecken nicht selbst durchführte, verpflichtet war, diesbezüglich der Mieterin gegenüber mit dem hierfür erforderlichen Geldbetrag in Vorleistung treten musste”.

Der Vermieter ist nämlich „verpflichtet, die Geschäftsräume in einem Zustand zu halten, der ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung entspricht” (Kassationsgerichtshof 3. Zivilkammer, 30. Juni 2021, Nr. 20-12.821).

Das Berufungsgericht hatte die Mieterin nicht entschädigen wollen, da es der Ansicht war, dass die Situation nicht auf ein „Verschulden der Vermietungsgesellschaft“ zurückging. Der Kassationsgerichtshof hob das Urteil auf, da unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens die Haftung der Vermieterin automatisch gegeben ist, es sei denn, es liegt ein Fall von höherer Gewalt vor. Das Gericht stellte klar, dass „die [von der Vermieterin] unternommenen Maßnahmen, um die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Beseitigung einer Störung zu veranlassen, die ihren Ursprung in zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Räumlichkeiten hatte, [die Vermieterin] nicht von ihrer Verpflichtung entbinden, die ungestörten Nutzung der gemieteten Räumlichkeiten zu gewährleisten”.

Wir empfehlen Vermietern, die Vertragsbestimmungen über Instandsetzungsarbeiten und einen Rückgriffsverzicht gegen den Vermieter unter Berücksichtigung dieser beiden Urteile zu verfassen.

 

BAURECHT – Ausschluss der zehnjährigen Gewährleistung für ausschließlich für berufliche Zwecke bestimmte Ausstattungsgegenstände

Ausstattungsgegenstände unterliegen gesetzlichen Gewährleistungsregeln, die gegebenenfalls von denen für das Bauwerks geltenden Gewährleistungsbestimmungen abweichen. Insbesondere unterliegen ausschließlich zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienende Ausstattungsgegenstände nicht der zehnjährigen bzw. zweijährigen Bauunternehmergewährleistung. Mit Urteil vom 06.03.2025 hat der Kassationsgerichtshof diese Regel streng angewandt, um die Anwendung der zehnjährigen Bauunternehmergewährleistung auszuschließen.

Jedes Bauwerk unterliegt den gesetzlichen Bauunternehmergewährleistungsbestimmungen. Dies gilt auch für Ausstattungsgegenstände. Im Bereich der gesetzlichen Gewährleistungen ist zwischen drei Arten von Ausstattungsgegenständen zu unterscheiden:

  • jene, die wie ein Bauwerk der zehnjährigen Bauunternehmergewährleistung unterliegen (Art. 1792-2 des frz. Zivilgesetzbuchs);
  • jene, die unter die zweijährige Bauunternehmergewährleistung fallen (Art. 1792-3 des frz. Zivilgesetzbuchs); sowie
  • jene, die weder durch die zehnjährige noch durch die zweijährige Bauunternehmergewährleistung abgedeckt sind (Art. 1792-7 des frz. Zivilgesetzbuchs).

Die jüngste Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs neigt dazu, nicht mehr alle Ausstattungsgegenstände dem Bauwerk gleichzusetzen, was zur Folge hat, dass die zehnjährige Bauunternehmergewährleistung nicht mehr angewendet wird.

Das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 06.03.2025 setzt diese Entwicklung für Ausstattungsgegenstände, die ausschließlich beruflich genutzt werden, fort.

Grundsätzlich ist ein Ausstattungsgegenstand weder durch die zehnjährige noch durch die zweijährige Bauunternehmergewährleistung abgedeckt, wenn seine ausschließliche Funktion darin besteht, die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Bauwerk zu ermöglichen (Art. 1792-7 des frz. Zivilgesetzbuchs). Somit ist ausschließlich die berufliche Funktion entscheidend.

In dem hier besprochenen Urteil hatte sich der Kassationsgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob ein Ölabscheider, der potenziell mit Schlamm und Öl und durch die Nutzung der Waschanlage belastetes Wasser behandelt, ein ausschließlich zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienender Ausstattungsgegenstand ist.

Hier hatte der Betreiber einer Autowaschanlage einen Bauunternehmer für die Sanierung der Fahrbahn und Rohrleitungsnetzen beauftragt. Da nach den Bauarbeiten während des Waschvorgangs ungefiltertes Wasser auf die Waschstraße überlief, erhob der Bauherr gegen den Bauunternehmer eine Schadensersatzklage auf Grundlage der zehnjährigen Bauunternehmergewährleistung.

Das Berufungsgericht erkannte die zehnjährige Gewährleistungspflicht des Bauunternehmers an. Es befand, dass die Fahrbahn- und Rohrleitungsnetzarbeiten zur Errichtung des Bauwerks beitrugen und der Ölabscheider im Rahmen dieser Arbeiten installiert wurde. Dieser Ausstattungsgegenstand, nämlich der Ölabscheider, hatte daher nicht ausschließlich die Funktion, den Betrieb der Waschanlage zu ermöglichen.

Der Kassationsgerichtshof hob jedoch das Urteil auf und entschied, dass der Ölabscheider bloß zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, nämlich dem Betrieb der Waschanlage, diente, da er ausschließlich zur Behandlung des durch den Waschvorgang ausgespülten und potenziell mit Schlamm und Öl belasteten Wassers bestimmt war. Folglich fiel dieser Ausstattungsgegenstand nicht in den Anwendungsbereich der zehnjährigen Bauunternehmergewährleistung.

Tipp von GGV: Diese Entwicklung der Rechtsprechung sollte Bauunternehmer und Hersteller von Ausstattungsgegenständen dazu veranlassen, vor Abschluss des Bauvertrags festzulegen, welcher gesetzlichen Gewährleistung ihr Ausstattungsgegenstand unterliegt, um für den entsprechenden Versicherungsschutz zu sorgen.

 

ÖFFENTLICHE AUFTRÄGE – Anspruch auf Vergütung zusätzlicher Bauarbeiten bei mündlicher Anordnung dieser Arbeiten

In einer Entscheidung vom 17.03.2025 hat der Oberster Verwaltungsgerichtshof über den Anspruch des Bauunternehmers auf Vergütung zusätzlicher Leistungen im Rahmen eines öffentlichen Bauauftrags entschieden, für den ein pauschaler Einheitspreis vereinbart worden war.

Im vorliegenden Fall hat der Bauunternehmer ein Verfahren gegen das öffentliche Wohnungsamt als Auftraggeber eingeleitet, um die Vergütung zusätzlicher Bauarbeiten zu erhalten. Das öffentliche Wohnungsamt bestritt die Zahlungspflicht für diese Leistungen mit der Begründung, dass sie nicht Gegenstand einer ordnungsgemäßen Anordnung gemäß den allgemeinen Vertragsbedingungen der Verwaltung (sog. CCAG) gewesen seien.

Der Oberster Verwaltungsgerichtshof entschied jedoch, dass die Ausführung von Bauleistungen auch nach mündlicher Anordnung seitens des Auftraggebers oder des Architekten einen Anspruch auf Vergütung begründet, selbst wenn die Anordnung nicht in der gemäß den CCAG erforderlichen Form erfolgte.

Ein Bauunternehmer hat jedoch keinen Anspruch auf Vergütung für zusätzliche Bauarbeiten, die er aus eigener Initiative durchgeführt hat, es sei denn, diese Leistungen waren für die ordnungsgemäße Ausführung des Bauwerks unerlässlich.

Tipp von GGV: In der Praxis werden zusätzliche Bauleistungen oft nur mündlich abgesprochen. Wir empfehlen den Vertragsparteien, insbesondere Bauunternehmern, schriftliche Nachweise dieser Anordnungen aufzubewahren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

 

CORPORATE – Meldepflichten für wirtschaftlich Berechtigte und Zugang zu Informationen im Nationalen Unternehmensregister (RNE)

Löschung der Gesellschaft von Amts bei Nichteinhaltung der Meldepflichten bezüglich der wirtschaftlich Berechtigten

Das Gesetz vom 13. Juni 2025 zur Stärkung der Transparenz von Gesellschaften und zur Bekämpfung des Drogenhandels führt strenge Maßnahmen hinsichtlich der Meldung der wirtschaftlich Berechtigten ein. Seit dem 15. Juni 2025 riskieren Gesellschaften, die ihrer Verpflichtung zur Meldung oder Aktualisierung der Informationen über ihre wirtschaftlich Berechtigten nicht nachkommen, die Löschung von Amts wegen aus dem Handels- und Gesellschaftsregister (RCS).

Diese Sanktion wird nach einer Frist von drei Monaten nach einer entsprechenden Aufforderung per Einschreiben verhängt.

Der Urkundsbeamte des Handelsgerichts ist befugt, diese Löschung vorzunehmen, die unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann, sodass die Gesellschaft nach der Behebung der Beanstandungen wiederaufleben kann.

Zu beachten ist, dass gemäß den Artikeln L. 561-2 und L. 561-36 des französischen Währungs- und Finanzgesetzes bestimmte Stellen, insbesondere Finanzinstitute und Einrichtungen, die der Pflicht zur Geldwäschebekämpfung unterliegen, dem Urkundsbeamten alle Abweichungen zwischen den Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten gemäß Artikel L. 561-46 und den ihnen vorliegenden Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten, einschließlich der Nichtregistrierung dieser Angaben, zu melden haben, soweit die betreffende Aufdeckung im Rahmen ihrer üblichen Kontrollen erfolgt.

Zugang zu Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten im Nationalen Unternehmensregister (RNE)

Die Informationen, mit Ausnahme vertraulicher Buchhaltungsunterlagen und Daten über die wirtschaftlich Berechtigten, sind in elektronischer Form für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Der vollständige Zugang ist jedoch bestimmten Behörden und Berufsgruppen, wie Gerichtsvollziehern und Notaren, zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorbehalten.

Ein Dekret vom 28. Mai 2025 erweitert den Zugang zu Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten im RNE. Künftig haben die Generaldirektion für Gesellschaften und die Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) Zugang zu allen im RNE eingetragenen Informationen.

Diese gesetzlichen und regulatorischen Änderungen unterstreichen die Bedeutung von Compliance und Transparenz für Gesellschaften und stärken gleichzeitig die Kontroll- und Regulierungsinstrumente der zuständigen Behörden. Gesellschaften müssen daher ihren Meldepflichten sorgfältig nachkommen, um gegebenenfalls schwerwiegend Sanktionen zu vermeiden.

 

ARBEITSRECHT – Entgelttransparenz: die Umsetzung der EU-Richtlinie steht bevor

Die europäische Richtlinie 2023/970 vom 10.05.2023 „zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ muss bis spätestens am 07.06.2026 in das französische Recht umgesetzt werden.

Die Richtlinie sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:

  • Im Rahmen der Einstellung muss der potenzielle Arbeitgeber den Bewerbern Informationen über das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne zur Verfügung stellen (Artikel 5 der Richtlinie); außerdem ist es ihm untersagt, die Bewerber nach ihrer Entgeltentwicklung in ihren laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen zu befragen (Artikel 5)
  • In Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber die Kriterien, die für die Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung verwendet werden, zur Verfügung stellen; diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein (Artikel 6)
  • Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer auf dessen Antrag hin innerhalb von zwei Monaten Informationen über seine individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittlichen Entgelthöhen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, für die Gruppen von Arbeitnehmern, die die gleiche Arbeit wie dieser oder eine gleichwertige Arbeit verrichten, zur Verfügung stellen (Artikel 7)
  • Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer jährlich über ihr Recht informieren, Informationen über ihr Entgelt zu beantragen (Artikel 7).

Die Umsetzung der Richtlinie 2023/970 dürfte auch zu einer Neufassung des Gleichstellungsindexes für Frauen und Männer führen. Das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zu diesem Index wird entsprechend der Personalstärke der Unternehmen zeitlich gestaffelt erfolgen.

GGV rät Unternehmen, Entgeltunterschiede zu ermitteln und, wird Ungleichbehandlung festgestellt, vor der Umsetzung der Richtlinie geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.

 

ARBEITSRECHT – Die Entziehung von Arbeitsmitteln, Akten und Zugangsmöglichkeiten zum Unternehmen eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers gilt als mündliche Kündigung

Mit Urteil vom 11. Juni 2025 (Nr. 23-21.819) hat die für arbeitsrechtliche Sachen zuständige Kammer des Kassationsgerichtshofs entschieden, dass die Aufforderung des Arbeitgebers an einen krankgeschriebenen Arbeitnehmer, sein Dienstfahrzeug, die Schlüssel und Zugangsausweise des Unternehmens sowie seine Arbeitsunterlagen zurückzugeben, „seine unwiderrufliche Entscheidung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt“.

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer seine Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit angefochten und argumentiert, dass die Kündigung seines Arbeitsvertrags bereits zu Beginn seiner Krankschreibung erfolgt sei, da der Arbeitgeber ihn aufgefordert habe, seine Arbeitsmittel zurückzugeben.

Das Berufungsgericht Chambéry vertrat jedoch die Auffassung, dass der Arbeitnehmer nicht nachgewiesen habe, dass sein Zugang zu Computern und E-Mails gesperrt worden sei. Es merkte insbesondere an, dass er nach der Rückgabe seiner Arbeitsmittel E-Mails verschickt hatte, in denen er sich als „immer noch Betriebsleiter” vorstellte, was seiner Ansicht nach zeigte, dass er sich nicht als mündlich gekündigt betrachtete.

Das Berufungsurteil wurde von der für arbeitsrechtliche Sachen zuständigen Kammer des Kassationsgerichtshofs aufgehoben, mit Verweis auf Artikel L. 1232-6 des Arbeitsgesetzbuchs, wonach „die Kündigung eines Arbeitnehmers unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber die unwiderrufliche Entscheidung zur Beendigung des Arbeitsvertrags eines Arbeitnehmers vor der Absendung des Kündigungsschreibens kundtut“.

Gemäß dieser Rechtsprechung impliziert die mündliche Kündigung nicht zwingend, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ausdrücklich seine Entscheidung zur Beendigung des Arbeitsvertrags mitteilt. Auch seine Handlungen oder seine allgemeine Haltung können als Beendigung des Arbeitsvertrags interpretiert werden.

GGV empfiehlt Arbeitgebern daher, in Arbeitsverträgen vorzusehen, dass bei Krankheit ab einer bestimmten Dauer die dem Arbeitnehmer für die Ausübung seiner Tätigkeit zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel an den Arbeitgeber zurückgegeben werden müssen und der Zugang des Arbeitnehmers zu den IT-Systemen aus Sicherheitsgründen gesperrt wird. Eine solche Klausel verhindert, dass die Rückgabe der Arbeitsmittel und die Sperrung des Zugangs im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunterbrechung als Kündigung ohne Vorliegen eines wichtigem Grundes ausgelegt werden können.

 

ARBEITSRECHT – DATENSCHUTZRECHT – Beweisverbote und Auskunftsrecht des Arbeitnehmers bezüglich beruflicher E-Mails

Seit mehreren Jahren stehen Arbeitgeber vor einer großen Herausforderung: Sie müssen das Arbeitsrecht mit dem Schutz personenbezogener Daten in Einklang bringen. Zwei aktuelle Urteile des französischen Kassationsgerichtshofs zeigen dies beispielhaft:

  • In seinem Urteil vom 9. April 2025 (Nr. 23-13.159) hat sich der Kassationsgerichtshof mit dem Beweisrecht und dem Schutz personenbezogener Daten befasst. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer die fristlose Kündigung seines Arbeitsvertrags wegen schweren Fehlverhaltes angefochten, die mit der Löschung von Dateien und der Weiterleitung beruflicher E-Mails an private Adressen begründet worden war. Der Arbeitgeber hat dem Gericht ein Protokoll eines Gerichtsvollziehers vorgelegt, das E-Mails, die von der IP-Adresse des Arbeitnehmers versandt wurden, sowie IT-Logs enthielt. Das Berufungsgericht erachtete diesen Beweis als zulässig, da es sich bei der verwendeten IP-Adresse um eine lokale Netzwerkadresse handelte und nicht um personenbezogene Daten.

Der Kassationsgerichtshof ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat entschieden, dass „IP-Adressen, die eine Identifizierung einer natürlichen Person indirekt ermöglichen, personenbezogene Daten sind (…), sodass deren Erhebung eine Datenverarbeitung darstellt, die nur dann rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person eingewilligt hat“. Daraus folgte, dass der Beweis unzulässig war, da „der Arbeitgeber diese Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu einem anderen Zweck – nämlich zur individuellen Kontrolle seiner Tätigkeit – verarbeitet hat als demjenigen, zu dem sie ursprünglich erhoben worden waren“.

Obgleich diese Wertung, wonach IP-Adressen personenbezogene Daten sind, mit der bisherigen Rechtsprechung sowie der europäischen Praxis und der Position der französischen Datenschutzbehörde (CNIL) übereinstimmt, ist die Begründung der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung fragwürdig.

Gemäß der DSGVO ist eine Datenverarbeitung nur dann rechtmäßig, wenn sie auf eine der folgenden sechs Rechtsgrundlagen gestützt wird: Einwilligung, Vertragserfüllung, berechtigtes Interesse, rechtliche Verpflichtung, lebenswichtige Interessen oder Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse. Im konkreten Fall hat sich der Kassationsgerichtshof für die Verarbeitung der IP-Adresse nur auf eine einzige Rechtsgrundlage gestützt, ohne andere Rechtsgrundlagen in seiner Urteilsbegründung zu berücksichtigen. Die CNIL weist allerdings darauf hin, dass im Arbeitsverhältnis aufgrund des hierarchischen Abhängigkeitsverhältnisses eine Einwilligung des Arbeitnehmers regelmäßig nicht als frei erteilt gelten kann. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Arbeitgeber basiert daher oft auf dessen berechtigtem Interesse, sofern sie nicht zur Erfüllung des Arbeitsvertrags erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil nicht in der Entscheidungssammlung des Kassationsgerichtshofs veröffentlicht wurde; es ist damit nicht als Grundsatzentscheidung anzusehen.

  • In seinem Urteil vom 18. Juni 2025 (Nr. 23-19.022) hat sich der Kassationsgerichtshof zum Auskunftsrecht des Arbeitnehmers bezüglich seiner beruflichen E-Mails im Rahmen des Auskunftsrechts über seine personenbezogenen Daten nach der DSGVO geäußert. Im konkreten Fall hatte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber um Zugang zu seiner Personalakte gebeten und ihm nach deren Übermittlung vorgeworfen, die während seines Arbeitsverhältnisses geführte berufliche E-Mail-Korrespondenz nicht übermittelt zu haben; mit Hilfe derer er wahrscheinlich Beweise für ein arbeitsgerichtliches Verfahren zu sichern suchte.

Der Kassationsgerichtshof hat festgestellt, dass das berufliche E-Mail-Konto – einschließlich gesendeter und empfangener E-Mails – personenbezogene Daten des Arbeitnehmers sind. Daher kann der Arbeitnehmer deren Übermittlung im Rahmen seines Auskunftsrechts nach der DSGVO verlangen. Unterbleibt eine solche Auskunft durch den Arbeitgeber, so liegt ein ersatzfähiger Schaden des Arbeitnehmers vor. 

Tipp von GGV: Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses – und auch bei dessen Beendigung – ist die Datenschutz-Grundverordnung zu beachten. Arbeitgeber sollten daher insbesondere bei einem Rechtsstreit und bei Beweisen in datenschutzrechtlicher Hinsicht umsichtig handeln.

 

COMPLIANCE – Tätigkeitsbericht der französischen Antikorruptionsbehörde 2024

Die französische Antikorruptionsbehörde (AFA), gegründet durch das Gesetz Nr. 2016-1691 vom 9. Dezember 2016, bekannt als „Loi Sapin II“, ist beauftragt, die Anwendung der Bestimmungen zur Korruptionsprävention von privaten Unternehmen und öffentlichen Akteuren zu überwachen.

Die AFA befasst sich insbesondere damit, zu überprüfen, dass Unternehmen mit mindestens 500 Personen und einem Umsatz von über 100 Millionen Euro ein Korruptionspräventionsprogramm implementiert haben. In ihrem Jahresbericht stellt die AFA fest, dass Unternehmen, die dem Gesetz Sapin II unterliegen, ein besseres Bewusstsein für das Korruptionsrisiko haben als diejenigen, die Sapin II nicht unterliegen. Sie erfasst ebenfalls, dass einige wiederkehrende Schwächen bestehen bleiben, wie etwa Risikokartierungen, die noch zu allgemein sind, Antikorruptionsverhaltenskodizes, die häufig in den Anhängen der internen Vorschriften fehlen, oder das häufige Fehlen interner Audits und eine unzureichende Bewertung von Dritten (Lieferanten, Kunden usw.).

Im Jahr 2024 erhielt die AFA „802 Meldungen, gegenüber 435 im Jahr 2023, was einem Anstieg von 84 % entspricht“. Eine Zahl, die die zentrale Rolle der Agentur nunmehr bei der Meldung von Korruptionshandlungen und Nichteinhaltungen der Verpflichtung zur Korruptionsprävention spielt, widerspiegelt. In ihrem Bericht gibt die AFA an, dass etwa 20 % dieser Meldungen nützlich sind. 17 führten zu Kontrollen und 94 zu Übermittlungen: 38 % im Zusammenhang mit einer Kontrolle oder deren Planung, 37 % an andere Behörden oder Dritte, 18 % an die Staatsanwaltschaft und 6 % an andere externe Meldestellen (AERS). Es wird darauf hingewiesen, dass die Agentur bis zum 30. Juni 2025 bereits 600 Warnmeldungen erhalten hat, was auf einen weiterhin steigenden Trend hinweist.

Darüber hinaus hat sich die Agentur stark im Kampf gegen die mit dem Hafendrogenhandel verbundene Korruption engagiert. Durch einen Vergleich der Häfen von Rotterdam (Niederlande), Antwerpen (Niederlande) und Le Havre (Frankreich) gibt die AFA an, dass die Kokainbeschlagnahmungen im Jahr 2024 Rekordwerte erreicht haben (5,5 Millionen im Hafen von Le Havre).

So konnten nach einer Vielzahl von Arbeiten mit privaten und öffentlichen Hafenakteuren zahlreiche Vorschläge entstehen: insbesondere eine obligatorische Schulung der Hafen-Sicherheitsakteure zum Korruptionsrisiko, die Verpflichtung aller Hafenumschlagsunternehmen zur Einführung eines Korruptionspräventionsprogramms ohne Schwellenbedingung und die Schaffung eines Straftatbestands der privaten Korruption in organisierten Banden.

Diese Vorschläge wurden teilweise in das jüngste Gesetz vom 13. Juni 2025 gegen Drogenhandel aufgenommen: Von nun an sind Hafenumschlagsunternehmen verpflichtet, ein Anti-Korruptions-Compliance-Programm zu implementieren, unabhängig von ihrer Größe.

Empfehlung von GGV: Um sich vor einer AFA-Kontrolle und Sanktionen zu schützen, empfiehlt GGV den Unternehmen, ihr Hinweisgebersystem zu vermarkten, um die interne Informationsweitergabe gegenüber der Informationsweitergabe an die AFA zu fördern. Außerdem empfiehlt GGV den Unternehmen ihr Korruptionspräventionsprogramm kontinuierlich zu verbessern, wobei besonders auf die Einbindung der Führungsebene geachtet werden sollte.

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