Sonderausgabe LFA Covid-19 : Prozessrecht | 18.Mai 2020

Angesichts der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) stellen sich viele Gesellschaften die Frage, welche Maßnahmen, sie unter Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen  der französischen Regierung ergreifen können, um die Folgen eines Rückgangs oder einer Einstellung der Geschäftstätigkeit zu begegnen und/oder um die Kontinuität ihrer Geschäftstätigkeit zu gewährleisten.

Dieses Dokument enthält Antworten auf die Fragen, die uns von unseren Mandaten gestellt wurden, sowie unsere Antworten, die Ihnen gegebenenfalls ebenfalls weiterhelfen können.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die unten stehenden Antworten lediglich Ihrer Information dienen und unverbindlich sind. Es handelt sich um keine rechtliche Beratung, für die GGV Avocats – Rechtsanwälte haftet. 

Die nachstehenden Informationen werden regelmäßig entsprechend den Ankündigungen der Regierung sowie der Veröffentlichung von einschlägigen Gesetzen, Erlässen und Verordnungen angepasst.

News Frankreich

  1. Welche Auswirkung hat die COVID-19 Krise auf Gerichtsverfahren?
  2. Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise auf vertragliche und prozessuale Verfahrensfristen?
  3. Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise auf die Organisation der Gerichtsbarkeiten?

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Welche Auswirkung hat die COVID-19 Krise auf Gerichtsverfahren?

Seit dem 16. März 2020 haben die französischen Gerichte den Notbetrieb aktiviert, um die Verbreitung von COVID-19 in Frankreich zu verlangsamen.

Die meisten Gerichte waren geschlossen und die Anhörungen wurden verschoben. Nur als wesentlich erachtete Rechtsstreitigkeiten wurden beibehalten, nämlich:

  • Haftanhörungen für Untersuchungshaft und gerichtliche Überprüfungsmaßnahmen,
  • Anhörungen im Strafbefehlsverfahren,
  • Anhörungen vor dem Untersuchungsrichter und dem Haftrichter,
  • Anhörungen vor Vollzugsrichtern in Notfällen,
  • Sorgerechtsstreitigkeiten und Jugendrichteranhörungen, einschließlich pädagogischer Hilfe,
  • Staatsanwaltschaftlicher Bereitschaftsdienst,
  • Not- und Dringlichkeitsmaßnahmen in der Zuständigkeit des Familienrichters (z.B. baufällige Gebäude, häusliche Gewalt),
  • Anhörungen vor dem sog. Richter für bürgerliche Freiheiten (z.B. Krankenhausaufenthalt unter Zwang, Inhaftierung von Ausländern),
  • Bereitschaftsdienst der Jugendgerichte, pädagogische Nothilfe,
  • Die Anhörungen der Untersuchungskammer zur Inhaftierung,
  • Anhörungen der Strafberufungskammer und der Strafvollzugskammer.

Die Sitzungen wurden angesichts der Ansteckungsgefahr für das Gerichtspersonal und die Öffentlichkeit innerhalb angemessener Fristen vertagt.

Abgesehen von unaufschiebbaren Rechtsstreitigkeiten werden alle bis Mai 2020 geplanten Anhörungen entweder auf unbestimmte Zeit oder bis auf September 2020 verschoben, je nach Gerichtsbarkeit und Kammern.

Die Justizministerin Nicole Belloubet erläuterte dazu, dass es Sache der Gerichte sei, diese Maßnahmen auf ihrer Ebene von Fall zu Fall zu bestimmen. So hat das Pariser Berufungsgericht ein ständiges Büro für Untersuchungsmaßnahmen und Eilverfahren eingerichtet.

Da die COVID-19-Krise viele Wirtschaftsaktivitäten erschwert hat, wurden die Handelsgerichte vom Justizministerium angewiesen, keine neuen Verfahren zu eröffnen, die das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen beeinträchtigen könnten. In diesem Sinne hat die Regierung am 27. März 2020 die Verordnung Nr. 2020-341 verabschiedet, mit der eine Reihe von Anpassungen der Vorschriften des Insolvenzrechts in dieser gesundheitlichen Notlage festgelegt wurden. 

Im Allgemeinen ist es bei gewöhnlichen Fällen, die nicht dringlicher  Natur sind, nach wie vor möglich, neue Insolvenzverfahren vor den verschiedenen Gerichten einzuleiten. Ein Datum für den ersten Verhandlungstermin wird jedoch nicht immer zugewiesen.

Seit dem 11. Mai 2020 haben die Gerichte nach und nach ihre normale Tätigkeit gemäß den für jede Gerichtsbarkeit spezifischen Verfahren wieder aufgenommen. Es ist zu bedenken, dass Richtern und Staatsanwälten wahrscheinlich angeraten werden, Verfahren ohne Anhörung durchzuführen.

Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise auf vertragliche und prozessuale Verfahrensfristen?

Das Gesetz Nr. 2020-290 vom 23. März 2020 über Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Epidemie erklärt den gesundheitlichen Notstand auf dem gesamten Staatsgebiet für einen Zeitraum von zwei Monaten ab seinem Inkrafttreten, d.h. bis zum 24. Mai 2020. 

Sein Zweck war  es, die Regierung zu ermächtigen, per Verordnung die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie zu ergreifen.

Der Gesundheitsnotstand wurde durch das Gesetz Nr. 202020-546 vom 11. Mai 2020 bis einschließlich 10. Juli 2020 verlängert. Diese Verlängerung gilt jedoch nicht für Verfahrensfristen, die einer besonderen Regelung gemäß der Verordnung Nr. 202020-560 vom 13. Mai 2020 unterliegen.

Zur Erinnerung: Seit dem Gesetz vom 23. März 2020 hat die Regierung Maßnahmen in Zuständigkeitsfragen erlassen, welchedie Anpassung, Unterbrechung, Aussetzung oder Verschiebung der Dauer der vorgesehenen Fristen im Hinblick auf Nichtigkeit, Erlöschen, Zwangsvollstreckung, Verjährung, Nichtdurchsetzbarkeit, Verfall eines Rechts, Beendigung einer Genehmigung oder Einstellung einer Maßnahme, mit Ausnahme von freiheitsentziehenden Maßnahmen und Strafen,vorsehen.

Ziel ist einerseits das Einfrieren der gerichtlichen Fristen, die aktuell wegen des Notbetriebs der Gerichte nicht mehr eingehalten werden können, und andererseits die Möglichkeit, die Fristen für Verfahren, Berufungen, Verjährung usw. anzupassen oder zu verschieben. 

Am 25. März 2020 hatte die Regierung auf Grundlage des Gesundheitsnotstandsgesetzes eine Reihe von Verordnungen verabschiedet, darunter die Verordnung Nr. 2020-306 über die Verlängerung der Fristen und die Anpassung der Verfahren während des Zeitraums des gesundheitlichen Notstands, mit der die Verfahrensfristen verlängert werden sollen; und zwar mit rückwirkender Wirkung zum 12. März 2020.

Diese Verordnung wurde am 15. April 2020 geändert, um bestimmte Schwierigkeiten bei der Inverzugsetzung zu beheben (Verordnung Nr. 2020-427 vom 15. April 2020 über verschiedene Bestimmungen bezüglich der Fristen für den Umgang mit der COVID-19-Epidemie).

Diese Verordnung wurde am 13. Mai 2020 erneut geändert, um die für Verfahrensfristen geltenden Bestimmungen zu aktualisieren (Verordnung Nr. 2020-560 zur Festlegung der Fristen, die für verschiedene Verfahren während der Dauer des gesundheitlichen Notstands gelten).

Diese Verordnungen gelten für Fristen und Maßnahmen, die zwischen dem 12. März 2020 bis einschließlich  23. Juni 2020, ablaufen. Sie sehen vor, dass Verfahrensfristen, die in diesem Zeitraum auslaufen sollten, bis zum 23. August 2020 oder in einigen Fällen bis zum 23. September 2020 verlängert werden.

Dies betrifft die Fristen, die vor den Gerichten für jede vorgeschriebene Handlung, Berufung, Klage, Eintragung, Erklärung, Mitteilung oder Veröffentlichung unter Androhung der Nichtigkeit, des Erlöschens, der Sanktion, der Zwangsvollstreckung, der Verjährung, der Nichtdurchsetzbarkeit, der Unzulässigkeit, der automatischen Rücknahme, der Anwendung einer Sonderregelung, der Nichtigkeit oder des Verfalls eines Rechts gelten. 

Verlängert werden auch die Fristen für Zahlungen, die für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines Rechts erforderlich sind (z.B. Register- und Rechtsmittelgebühren).

Sie gilt jedoch nicht für Fristen in Strafverfahren und Verfahren vor Jugendgerichten sowie für freiheitsentziehende Maßnahmen.

Der Mechanismus zur Verschiebung von Fristen wurde durch den Bericht an den Präsidenten über die Verordnung 2020-427 vom 15. April 2020 klargestellt: Es handelt sich weder um eine Aussetzung noch um eine Verlängerung der ursprünglichen Handlungsfrist, sondern lediglich darum, dass die Handlung oder Formalität als rechtsgültig vollzogen gilt, wenn sie einschließlich 23. August 2020 vollzogen wird. Es geht also darum, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, im Nachhinein (und als ob die Frist eingehalten worden wäre) das zu tun, wozu er während der Dauer des gesundheitlichen Notstandes nicht in der Lage war. 

Der Mechanismus zur Verschiebung von Fristen ist jedoch nicht anwendbar auf:

  • Fristen, die vor dem 12. März 2020 abgelaufen sind;
  • Fristen, die ab dem 24. Juni 2020 auslaufen;
  • Widerrufs-, Verzichts- oder Bedenkfristen;
  • Fristen für die Rückerstattung eines Geldbetrages im Falle der Ausübung des Rücktritts- oder Verzichtsrechts. 

Die Verschiebung der in den Verordnungen vorgesehenen Verfahrensfristen ist lediglich eine Option für die Betroffenen, die in Bezug auf ihre Verfahren weiterhin ihre Akten und Schriftsätze vorbereiten können. Lediglich die Abhaltung von Anhörungen wird wegen Ausschluss der Öffentlichkeit vertagt.

Darüber hinaus werden gerichtliche und administrative Maßnahmen, deren Laufzeit zwischen dem 12. März und dem 23. Juni 2020 endet, ebenfalls bis zum 23. September 2020 verschoben, es sei denn, der Richter oder die Behörde, die sie ergriffen hat, entscheidet anders. Dazu gehören vorläufige Schutzmaßnahmen, Ermittlungs-, Untersuchungs-, Schlichtungs- oder Vermittlungsmaßnahmen, Genehmigungen, Bewilligungen usw., die den gleichen Bedingungen unterliegen.

Die Verordnungen haben auch in die vertraglichen Beziehungen der Parteien eingegriffen: Sie sehen vor, dass Straf-, Auflösungs-, Verwirkungs- und Zwangsgeldklauseln (die nachfolgend als „Sanktionsklauseln“ bezeichnet) während des gesundheitlichen Notstandes gelähmt sind. Die Vertragsparteien können jedoch einvernehmlich vereinbaren, dass diese Klauseln normal weiter gelten, auch wenn dies in der Praxis unwahrscheinlich ist.

Wenn der Vertragspartner seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommt, werden die Sanktionsklauseln, die zwischen dem 12. März und bis einschließlich 23. Juni 2020 hätten gelten sollen, für den Zeitraum zwischen dem 12. März 2020 und dem theoretischen Wirksamkeitsdatum der Sanktionsklausel auf den 24. Juni 2020 verschoben. Nimmt man das Beispiel einer Strafklausel, die die Nichtzahlung eines fälligen Geldbetrags sanktioniert und deren Fälligkeitsdatum der 2. April 2020 wäre, so würde dieses Fälligkeitsdatum 21 Tage nach dem 12. März 2020, dem Beginn der Periode des gesundheitlichen Notstands, liegen. In diesem Fall tritt die Strafklausel 21 Tage nach dem 23. Juni 2020 ein (Ende des Zeitraums des gesundheitlichen Notstands). Sie träte demgemäß am 15. Juli 2020 in Kraft.

Gelten diese Strafklauseln jedoch wegen der Nichterfüllung einer Handlungs- oder Unterlassensverpflichtung und soll ihre Fälligkeit nach dem 23. Juni 2020 eintreten, so werden ihre Wirkungen auf einen Zeitpunkt verschoben, der auf der Grundlage der Dauer des Notstandszeitraums vom 12. März bis einschließlich 23. Juni 2020 (d.h. 105 Tage) berechnet wird. Zu beachten ist, dass Verpflichtungen zur Zahlung eines Geldbetrages von dieser Regelung ausgeschlossen sind. Zur Veranschaulichung: Sieht ein Vertrag vor dem 12. März 2020 eine Verpflichtung vor, die am 30. Juni 2020 ausläuft, so tritt die Sanktionsklausel, die die Nichterfüllung dieser Verpflichtung sanktioniert, erst 105 Tage nach dem 30. Juni 2020, d.h. am 13. Oktober 2020, in Kraft. Monetäre Verpflichtungen sind aber von dieser Bestimmung ausgenommen.

Darüber hinaus werden die Zwangsgelder und Strafklauseln, die vor dem 12. März 2020 in Kraft getreten sind, für den gesamten Zeitraum vom 12. März 2020 bis einschließlich  23. Juni 2020 ausgesetzt und nehmen ihre Wirkung ab dem 24. Juni 2020 wieder auf.

Schließlich können Verträge wie gewerbliche Mietverträge oder Dauerschuldverhältnisse, die nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums gekündigt oder erneuert werden können, von einer zweimonatigen Verlängerung profitieren, damit die betroffenen Parteien ihr Recht auf Kündigung oder Verlängerung des Vertrags bis zum 23. September 2020 ausüben können.

Daher kann man den Vertragspartnern während des sanitären Notstandes nur empfehlen, zur Beilegung ihrer Handelsstreitigkeiten auf alternative Methoden zurückzugreifen. Die meisten der wichtigsten Schlichtungszentren sind weiterhin erreichbar: Sie sind elektronisch zugänglich und die Schlichter und Schiedsrichter sind per Videokonferenz oder Telefon einsatzbereit, um den Parteien zu helfen, ihre Streitigkeiten schnell und effizient beizulegen. Auf diese Weise können die Unternehmen die Krisenzeit nutzen, um Rechtsstreitigkeiten zu erledigen, um sich nach dem Ende der COVID-19-Krise ihrer operativen und kommerziellen Neuausrichtung widmen.

Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise auf die Organisation der Gerichtsbarkeiten?

Die Regierung erließ am 25. März 2020 die Verordnung Nr. 2020-304, die unter anderem die Funktionsweise der Gerichte, die Kommunikation mit der Gerichtsgeschäftsstelle und zwischen den Parteien, die Abhaltung von Anhörungen und Gerichtsverhandlungen sowie die Urteilsfindung vor den Zivilgerichten erster Instanz und Berufungsgerichten in der Zeit vom 12. März 2020 bis zum 24. Juni 2020 regelt. Der gesundheitliche Ausnahmezustand wurde durch das Gesetz Nr. 202020-546 vom 11. Mai 2020 bis einschließlich 10. Juli 2020 verlängert. Die neue “geschützte” Periode läuft nun bis einschließlich 10. August 2020.

Übertragung der Gerichtstätigkeit

Ist ein erstinstanzliches Gericht ganz oder teilweise funktionsunfähig, kann der erste Präsident des in seine Zuständigkeit fallenden Berufungsgerichts die Übertragung der Tätigkeit dieses Gerichts – ganz oder teilweise – auf ein anderes Gericht derselben Art und Zuständigkeit anordnen. Die Dauer dieser Verlegung der Tätigkeit darf den Zeitraum von einem Monat nach Beendigung des gesundheitlichen Notstands, d.h. bis zum 10. August 2020, nicht überschreiten.

Vereinfachte Kommunikation

Die Kommunikation zwischen der Geschäftsstelle und den Parteien sowie zwischen den Parteien selbst wird vereinfacht.

– Kommunikation durch die Geschäftsstelle

Wenn eine mündliche Verhandlung oder eine Anhörung während des gesundheitlichen Notfalls abgesagt wird, informiert die Geschäftsstelle die Parteien in irgendeiner Form über die Verschiebung der mündlichen Verhandlung. Wenn die Parteien von einem Rechtsanwalt vertreten werden oder wenn sie dem Erhalt von Dokumenten auf dem „Portail du justiciable“ zugestimmt haben, werden die Informationen in der Regel elektronisch übermittelt. In anderen Fällen werden die Informationen meist auf dem Postweg, per einfachem Brief, versandt.

Ebenso kann die Mitteilung von Urteilen durch das Gericht an die Parteien mit allen Mitteln erfolgen. Die offizielle Zustellung von Urteilen ist jedoch nicht geändert worden.

– Zustellung von Verfahrensdokumenten zwischen den Parteien

Die Parteien können ihre Schriften und Dokumente mit allen Mitteln austauschen, müssen aber dem Richter die Möglichkeit geben, sich zu vergewissern, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens eingehalten wird. In schriftlichen Verfahren und ohne mündliche Verhandlung erfolgt die Kommunikation zwischen den Parteien durch eine Mitteilung zwischen Rechtsanwälten. Jede Partei muss daher in jedem Fall sicherstellen, dass sie nachweisen kann, dass ihre Schriften und Dokumente an die Gegenpartei übermittelt wurden.

Durchführung von Anhörungen

Die Regeln für die Abhaltung von Anhörungen wurden insofern angepasst, als dass die Gerichte im Notbetrieb arbeiten und den Öffentlichkeitsgrundsatz während der Zeit des gesundheitlichen Notstandes nicht berücksichtigen müssen.

Zunächst kann der Richter oder der Vorsitzende des Richterkollegiums in Zivil- und Handelsstreitigkeiten in allen Verfahren, in denen ein Rechtsanwalt erforderlich ist und in denen die Parteien von einem Rechtsanwalt unterstützt oder vertreten werden, beschließen, ohne mündliche Verhandlung und nach einem schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Die Parteien können gegen diese Entscheidung in vorläufigen Eilverfahren, in beschleunigten Verfahren in der Sache selbst und in Verfahren, in denen der Richter innerhalb einer bestimmten Frist entscheiden muss, keinen Einspruch erheben. In anderen Verfahren können die Parteien gegen die Entscheidung, auf die Durchführung von Anhörungen zu verzichten, innerhalb von 15 Tagen Einspruch erheben.

Beispielsweise entschied der Erste Präsident des Pariser Berufungsgerichts mit Beschluss vom 27. April 2020, dass die zwischen dem 16. März und dem 24. Juni 2020 anberaumten und abgeschlossenen Verhandlungen vor dem Pariser Berufungsgericht sowie Untersuchungen im Vorfeld des Verfahrens, die bei einer Anhörung im gleichen Zeitraum angesetzt wurden, durch ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung behandelt werden. Die Parteien können gegen diese Verfahrensentscheidung ohne Anhörung innerhalb von 15 Tagen ab dem 27. April 2020, d.h. bis zum 12. Mai 2020, Einspruch erheben.

Anhörungen sind Notfallverfahren vorbehalten, bei denen das Erscheinen der Parteien oder ihres Anwalts während der Zeit des gesundheitlichen Notstands unerlässlich ist. In jedem Fall kann der Präsident des Gerichts vor der Verhandlung entscheiden, dass das Verfahren unter eingeschränkter Öffentlichkeit stattfindet. Können die Bedingungen, die zum Schutz der Gesundheit der bei der Verhandlung anwesenden Personen erforderlich sind, nicht gewährleistet werden, wird das Verfahren in den Beratungskammern des Gerichts abgehalten.

Darüber hinaus kann der Richter entscheiden, dass die Anhörung mittels audiovisueller Telekommunikation durchgeführt wird. Wenn es technisch oder materiell nicht möglich ist, diese Art der Anhörung einzurichten, kann der Richter beschließen, die Parteien und ihren Rechtsbeistand mit jedem elektronischen Kommunikationsmittel, auch per Telefon, anzuhören. In allen Fällen muss der Richter die Identität der Parteien, die Qualität der Kommunikation und die Vertraulichkeit des Austauschs zwischen den Parteien und ihren Anwälten gewährleisten.

Die Beratungen

Die Verordnung hat die Art und Weise, in der die Richter Urteile erlassen, geändert, um der äußerst begrenzten Tätigkeit der Gerichte Rechnung zu tragen.

Zunächst kann das Gericht durch einen Einzelrichter in erster Instanz und in der Berufungsinstanz durch Entscheidung des Gerichtspräsidenten entscheiden, dass die Anhörung der Parteivorträge, der Abschluss der Untersuchung oder die Entscheidung, nach dem Verfahren ohne Anhörung zu entscheiden, zwischen dem 12. März und dem 10. August 2020 stattfindet. Diese Möglichkeit ist jedoch vor dem Handelsgericht und dem Arbeitsgericht ausgeschlossen. Somit werden die Beratungen, insbesondere bei Arbeitsgerichtsverfahren, in eingeschränkter Formation, bestehend aus einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmervertreter, durchgeführt.

Zudem wird der Begriff des Versäumnisurteils weiter gefasst. Zur Erinnerung: Ein Versäumnisurteil gibt dem unterlegenen Beklagten die Möglichkeit, Einspruch gegen das Urteil einzulegen, was den erstinstanzlichen Richter verpflichtet, erneut zu entscheiden. Ein Urteil gilt normalerweise als Versäumnisurteil, wenn sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen hat, unter der doppelten Bedingung, dass er nicht persönlich vorgeladen wurde und dass das Urteil als letztes Mittel erlassen wird. Die Verordnung sieht vor, dass nunmehr das Versäumnisurteil ergeht, wenn der Beklagte nicht persönlich vorgeladen wurde und nicht zur Verhandlung erscheint. Sie befreit die Geschäftsstelle daher von dem Versuch einer neuen persönlichen Vorladung, wenn der Beklagte nicht zur Verhandlung erscheint. Die Verordnung erweitert somit das Einspruchsrecht des nicht erscheinenden Angeklagten aufgrund der Kommunikations- und Erscheinungsschwierigkeiten, die durch den Gesundheitsnotstand entstanden sind.

In einem vorläufigen Eilverfahren schließlich kann der zuständige Richter entscheiden, den Antrag ohne mündliche Verhandlung durch nicht kontradiktorische Anordnung abzulehnen, wenn der Antrag unzulässig ist oder wenn kein Bedarf für ein Eilverfahren besteht.