Deutsch-Französischer Informationsbrief | November 2019

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.


News Deutschland

  1. STEUERRECHT – Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer
  2. STEUERRECHT – Rückerstattung der Quellensteuer auf Kapitalerträge an Unternehmen in Verlustsituation
  3. ARBEITSRECHT – Nimmt ein geschützter Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account eines Kollegen, kann er entlassen werden
  4. GESELLSCHAFTSRECHT – Gesetz zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts
  5. WIRTSCHAFTSRECHT – Amazon wurde aufgrund eines signifikanten Ungleichgewichts gegenüber Marktplatzhändlern verurteilt
  6. IMMOBILIENRECHT – Festlegung der Miete bei Erneuerung des Mietvertrages
  7. COMPLIANCE – Deutscher Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität
  8. JUSTIZREFORM – Justizreform, Teil II
  9. GGV in eigener Sache

News Deutschland

STEUERRECHT – Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer

Mit Urteil vom 02.05.2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer eines steuerpflichtigen Unternehmens mit Sitz in der EU, das jedoch nicht im Land der Antragstellung ansässig ist, vor Gericht vervollständig werden kann, sollte das Unternehmen nicht auf die Aufforderung zur Erteilung von Auskünften durch die Behörde reagiert haben.

Im Rahmen des besonderen Rückerstattungsverfahrens, das von der Richtlinie Nr. 2008/9/EG des Rates vom 12.02.2008 vorgesehen ist, können Unternehmen, die nicht in Frankreich ansässig sind und hier keine Umsatzsteuer erheben, eine Rückerstattung der Mehrwertsteuer erhalten, die sie aufgrund des Erwerbs von Gegenständen oder Dienstleistungen in Frankreich entrichtet haben. Im Zuge der Antragsprüfung kann der Mitgliedstaat, in dem die Erstattung beantragt wird, von dem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen zusätzliche Informationen anfordern. Dieser muss die angefragten Informationen innerhalb eines Monats zur Verfügung stellen.

Im Rahmen einer Streitigkeit hat das Verwaltungsgericht Montreuil den EuGH mit der Frage angerufen, ob das Fehlen eine Antwort  innerhalb dieser Frist zur Folge hat, dass der Anspruch auf Mehrwertsteuererstattung erlischt (Verwaltungsgericht Montreuil, 14.02.2018, Nr. 1602615, „Sté Sea Chefs Cruise Services GmbH“).

Der EuGH entschied in seinem Urteil, dass der Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer auch nach Verstreichen der oben genannten Frist bestehen bleibt.

Aus diesem Urteil ergibt sich, dass der Antrag  auf Erstattung immer vor dem zuständigen Gericht des erstattenden Staates durch die Nachreichung von fehlenden Informationen vervollständigt werden kann, selbst wenn dem Auskunftsersuchen der Steuerverwaltung nicht Folge geleistet wurde.

Um einer systematischen Nutzung dieser Möglichkeit vorzubeugen und die Einhaltung der einmonatigen Frist zu gewährleisten, weist der Generalanwalt jedoch darauf hin, dass die Kosten des nationalen Gerichtsverfahrens  dem Steuerpflichtigen auferlegt werden können und der Mitgliedstaat, in dem der Erstattungsantrag gestellt wird, bei Nichteinhaltung der Erstattungsfrist gegebenenfalls keine Verzugszinsen schuldet.

Ein Rat von GGV: Auch wenn es sich hierbei um ein Urteil zugunsten der Unternehmen handelt, sollte der Anfrage der Steuerbehörde schnellstmöglich Folge geleistet werden, um eine zügige Rückerstattung der in Frankreich entrichteten Umsatzsteuer zu gewährleisten und um ein langes und kostspieliges Verfahren zu vermeiden.

STEUERRECHT – Rückerstattung der Quellensteuer auf Kapitalerträge an Unternehmen in Verlustsituation

Ein französisches Unternehmen in Verlustsituation, das Dividenden oder andere Kapitalerträge aus französischer Quelle erhält, entgeht jeglicher Besteuerung, bis es seine Verluste ausgeglichen hat.

Eine ausländische Gesellschaft in Verlustsituation wird hingegen durch eine Quellensteuer besteuert. Daraus ergibt sich zumindest ein finanzieller Nachteil.

Diese Ungleichbehandlung wurde vom EuGH in einem Urteil vom 22.11.2018 in der Rechtssache 575/17 Sofina als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bewertet. 

Der Entwurf des französischen Finanzgesetzes für 2020 zieht die Konsequenzen aus dieser Entscheidung. Er sieht einen Mechanismus für die Rückerstattung von Quellensteuer auf Kapitalerträge (Dividenden, bestimmte Berufseinkünfte, Kapitalgewinne) vor, die an eine juristische Person in Verlustsituation gezahlt werden. Im Falle von Dividenden handelt es sich um juristische Personen mit Sitz in einem Land, mit dem Frankreich  ein Steuerabkommen abgeschlossen hat und welches bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Im Falle von sonstigen quellensteuerpflichtigen Kapitalerträgen sind juristische Personen mit Sitz in der Europäischen Union oder einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums begünstigt. 

Die Freistellung ist jedoch nicht endgültig und gilt nur so lange, wie die ausländische Tochtergesellschaft defizitär bleibt.

Zu diesem Zweck wird die Besteuerung der ausländischen Tochtergesellschaft festgesetzt, deren Fälligkeit so lange aufgeschoben wird, wie die ausländische Tochtergesellschaft in einer Verlustsituation bleibt. Diese Steuer in Höhe der erstatteten Quellensteuer ist nur dann abzuführen, wenn die ausländische Tochtergesellschaft wieder Gewinne erzielt, wenn sie ohne Abwicklung aufgelöst wird oder wenn sie ihren Erklärungspflichten nicht nachkommt.

Für die  Rückerstattung der Quellensteuer muss die ausländische Tochtergesellschaft bei dem Finanzamt, das für nicht in Frankreich ansässige Personen zuständig ist, eine Erklärung abgeben, in der sie ihren Verlust für das Jahr, in dem die Quellensteuer erhoben wurde, ausweist.

In der Folge muss sie jedes Jahr eine neue Erklärung zur Prüfung der Verlustsituation abgeben.

Diese Erklärungen müssen innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres der ausländischen Tochtergesellschaft eingereicht werden.

In einigen Fällen kann diese Frist zu echten Schwierigkeiten für ausländische Unternehmen, insbesondere für deutsche Unternehmen, führen, die in der Regel wesentlich längere Fristen für die Erklärung ihrer steuerlichen Ergebnisse haben.

Angesichts dieser Zwänge wird der Erstattungsantrag sehr wahrscheinlich in der Praxis bei größeren Quellensteuerbeträgen oder chronisch defizitären ausländischen Unternehmen, die ihre Defizite möglicherweise nie ausgleichen können, gestellt werden.

ARBEITSRECHT – Nimmt ein geschützter Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account eines Kollegen, kann er entlassen werden

Mit Urteil vom 10.07.2019 hat der Oberste Verwaltungsgerichtshof („Conseil d’Etat“) die Entlassung eines geschützten Arbeitnehmers genehmigt, die mit einem Fehlverhalten durch die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht, außerhalb des Arbeitsorts und der Arbeitszeit, begründet wurde.

Ein Arbeitnehmer, der zum Gewerkschaftsdelegierten bestellt und zum Arbeitsrichter gewählt wurde, hatte Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account eines anderen Arbeitnehmers des Unternehmers genommen. Er hatte die Korrespondenz eines Vorgesetzten gelesen, auf Nachrichten zugegriffen, die ausdrücklich als persönlich gekennzeichnet waren, und 57 Nachrichten an seinen persönlichen E-Mail-Account weitergeleitet.

In dem Urteil Nr. 408644 vom 10.07.2019 haben die 4. und die 1. Kammer des Obersten Verwaltungsgerichtshofs daran erinnert, dass „Handlungen eines Arbeitnehmers außerhalb der Durchführung des Arbeitsvertrags keine Kündigung wegen Fehlverhaltens begründen können, es sei denn, das Fehlverhalten ergibt sich aus der Missachtung einer arbeitsvertraglichen Pflicht.“

Der Gerichtshof ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die Verwendung von Informatik-Tools, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurden, um ohne dessen Einverständnis auf den dienstlichen E-Mail-Account eines anderen Arbeitnehmers Zugriff zu nehmen und um Nachrichten weiterzuleiten, „als Verletzung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Treuepflicht zu bewerten ist.“

Diese Treuepflicht beinhaltet, dass der Arbeitnehmer nicht das Briefgeheimnis verletzten darf.

Der Oberste Verwaltungsgerichtshof, der prüfen musste, ob die gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe so schwerwiegend sind, dass sie eine Kündigung begründen können, hat entschieden, dass diese umso schwerwiegender sind, als dass der Arbeitnehmer Vorgesetztenfunktionen hatte.

Dieses Urteil ist von besonderem Interesse, da darauf hingewiesen wird, dass das Briefgeheimnis nicht nur vom Arbeitgeber sondern auch von den Arbeitnehmern beachtet werden muss.

Aufgrund dieses Urteils kann gehofft werden, dass sich die Lage des Arbeitgebers verbessert, der mit missbräuchlichen Zugriffen von Arbeitnehmern auf die dienstlichen E-Mail-Accounts von Kollegen konfrontiert ist.

GESELLSCHAFTSRECHT – Gesetz zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts

Das am 20.07.2019 veröffentlichte Gesetz zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts beinhaltet mehrere bemerkenswerte Erleichterungen.

Der Anwendungsbereich für vereinfachte Verschmelzungen wird auf Verschmelzungen von Schwestergesellschaften und von Zivilgesellschaften ausgedehnt

Der Anwendungsbereich für vereinfachte Verschmelzungen von Handelsgesellschaften wird auf Verschmelzungen zwischen Schwestergesellschaften ausgedehnt. Das Verfahren der vereinfachten Verschmelzung kann künftig unter der Voraussetzung angewandt werden, dass ein und dieselbe Gesellschaft während des Zeitraums zwischen der Hinterlegung des Verschmelzungsvorhabens und der Durchführung der Verschmelzung, 100 % des Kapitals oder mindestens 90 % der Stimmrechte sowohl der übernehmenden als auch der übernommenen Gesellschaft hält.

Der Anwendungsbereich wird zudem auf Zivilgesellschaften ausgedehnt, sofern die übernehmende Gesellschaft während des Zeitraums zwischen der Hinterlegung des Verschmelzungsvorhabens und der Durchführung der Verschmelzung  mindestens 90 % der Geschäftsanteile der übernommenen Gesellschaft hält. Durch dieses vereinfachte Verfahren entfällt die Notwendigkeit, im Rahmen der Durchführung der Verschmelzung die Genehmigung der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft einzuholen. Ein oder mehrere Gesellschafter, die  mindestens 5 % des Kapitals halten, können jedoch die Einberufung einer Gesellschafterversammlung durch Gerichtsbeschluss erwirken. 

Bewertung der Einlage von Dienstleistungen  in eine vereinfachte Aktiengesellschaft (SAS)

Die Gesellschafter der SAS sind künftig nicht mehr verpflichtet, einen Wirtschaftsprüfer für die Bewertung der Einlage von Dienstleistungen zu benennen. Diese Vereinfachung gilt sowohl für Einlagen bei der Gründung der Gesellschaft  als auch für solche, die nach der Gründung geleistet werden. 

Streichung der Pflicht zur regelmäßigen Beschlussfassung über eine den Arbeitnehmern vorbehaltene Kapitalerhöhung

Die Pflicht, der Gesellschafterversammlung  alle drei Jahre eine den Arbeitnehmern vorbehaltenen Kapitalerhöhung vorzuschlagen, wurde  abgeschafft. 

Die Pflicht zur Herbeiführung eines solchen Beschlusses anlässlich von Barkapitalerhöhungen bleibt jedoch bestehen.

Wegfall von Pflichtangaben im Rahmen der Veräußerung von Gewerbebetrieben

Bisher musste der Kaufvertrag die in Artikel L. 141-1 des französischen Handelsgesetzbuches vorgeschriebenen Informationen enthalten: 

Name des vorherigen Verkäufers, Datum und Art des Erwerbs durch den vorherigen Verkäufer, Kaufpreis, Bestehen von Pfandrechten und Verpfändungen, die auf dem Gewerbebetrieb lasten, während der letzten drei Geschäftsjahre erzielte Umsätze und Betriebsergebnisse, Datum und Dauer des Mietvertrags, Name und Adresse des Vermieters und des Abtretenden des Mietvertrags.

Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts wurde Artikel L. 141-1 des französischen Handelsgesetzbuches aufgehoben, sodass Kaufverträge, die seit dem 21.07.2019 abgeschlossen wurden, die oben genannten Angaben nicht mehr enthalten müssen.

WIRTSCHAFTSRECHT – Amazon wurde aufgrund eines signifikanten Ungleichgewichts gegenüber Marktplatzhändlern verurteilt

Am 02.09.2019 hat das Handelsgericht Paris die Amazon-Gruppe zu einer Zivilstrafe von € 4 Mio. wegen wettbewerbsbeschränkender Handlungen gegenüber seinen Marktplatzhändlern verurteilt. In seiner Begründung verwies das Gericht auf ein signifikantes Ungleichgewicht der Rechte und Pflichte der Vertragspartner. Dieses Urteil steht im Zusammenhang mit der sogenannten „Plattform-to-Business“-EU-Verordnung vom 20.06.2019, die am 12.07.2020 in Kraft treten wird.

Amazon ist auf den Internethandel spezialisiert und ermöglicht es Drittanbietern, ihre Produkte auf seinem-Online-Marktplatz anzubieten. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden mehrere Unternehmen der Amazon-Gruppe durch das Handelsgericht Paris verurteilt, weil sie ihren Handelspartnern Verpflichtungen auferlegt haben, die zu einem signifikanten Ungleichgewicht der Rechte und Pflichte der Vertragsparteien führten.

Im vorliegenden Fall wurde der Amazon-Gruppe vorgeworfen, unzulässige Klauseln in die mit den Marktplatzhändlern abgeschlossenen Verträge aufzunehmen. Diese erlaubten es unter anderem Amazon, unter Heranziehung unzureichend definierter Leistungskriterien, den Vertrag jederzeit einseitig zu ändern, fristlos auszusetzen oder zu kündigen. Die Zulässigkeit weiterer Vertragsklauseln, wie z.B. einer Haftungsfreistellung und einer sogenannten „Paritätsklausel“, die unter anderem eine Preisparität verlangte, wurde ebenfalls in Frage gestellt. 

Die Amazon-Gruppe steht derzeit im Mittelpunkt der richterlichen Aufmerksamkeit. So hatte das Bundeskartellamt am 17.07.2019 ein Verfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eingestellt, wobei sich die hier beanstandeten Punkte teilweise mit denjenigen des Handelsgerichts Paris decken. Amazon musste sich verpflichten, seine allgemeinen Geschäftsbedingungen für alle Marktplätze weltweit anzupassen. 

In einem anderen Fall wird die Subway-Gruppe vom französischen Wirtschafts- und Finanzminister aufgrund eines signifikanten Ungleichgewichts der Rechte und Pflichte der Vertragspartner vor dem Handelsgericht Paris verklagt. Der Wirtschafts- und Finanzminister strebt die Feststellung der Nichtigkeit einer Reihe von mit Franchisenehmern vereinbarten Vertragsklauseln durch das Gericht an, darunter die Schiedsgerichtsklausel. Das Gericht wird demnächst über die Begründetheit der Klage entscheiden. 

Der Fall Amazon führt uns erneut vor Augen, dass der Minister auf Grundlage eines signifikanten Ungleichgewichts der Rechte und Pflichte der Vertragspartner immer die Möglichkeit hat, vor französischen Gerichten Klage zu erheben, auch wenn der Vertrag eine Gerichtsstandklausel (im Amazon-Vertrag zugunsten der Luxemburger Gerichte) oder eine Schiedsklausel vorsieht.

IMMOBILIENRECHT – Festlegung der Miete bei Erneuerung des Mietvertrages

In seinem Urteil vom 23.05.2019 hat der Kassationshof entschieden, dass die Tragung der  Grundsteuer durch den Mieter den Mietwert reduziert. Nach Auffassung des Kassationshofs ist dieser Faktor bei der Festlegung der Miete anlässlich der Verlängerung des Mietvertrages zu berücksichtigen. Wir nehmen diese Urteil zum Anlass, um unsere Leser an die Bestimmungen bezüglich der Festlegung der Miete anlässlich der Verlängerung des Mietvertrages zu erinnern.

In dem vom Kassationshof zu entscheidenden Fall hatte ein Mieter die Verlängerung des Mietvertrages beantragt. Da sich die Parteien nicht auf die Höhe der neu festzulegenden Miete einigen konnten, hatte der Vermieter Klage vor dem Landgericht erhoben, das für Rechtsstreitigkeiten über die Festsetzung von Gewerbemieten zuständig ist.

Gemäß Artikel L. 145-33 des französischen Handelsgesetzbuches muss der Richter die Miete entsprechend des Mietwerts unter Anwendung mehrerer Kriterien festlegen: die Beschaffenheit und der Nutzungszweck der Räumlichkeiten, die örtlichen Faktoren der Marktgängigkeit, die für die Umgebung üblichen Preise und die jeweiligen Pflichten der Parteien.

Für dieses letzte Kriterium sieht das Handelsgesetzbuch vor, dass die Übernahme von Pflichten durch den Mieter, die normalerweise dem Vermieter obliegen, den Mietwert mindert.

Der Kassationshof hat unter Anwendung dieses Kriteriums im vorliegend kommentierten Urteil entschieden, dass die vertragliche Übernahme der Grundsteuer durch den Mieter den Mietwert mindert. Der Kassationshof argumentiert, dass die Grundsteuer grundsätzlich vom Vermieter geschuldet wird. Die Tatsache, dass die Tragung der Grundsteuer durch den Mieter im Mietvertrag vereinbart wurde, führe nicht dazu, dass der oben genannte Grundsatz einer Minderung des Mietwertes nicht anwendbar sei. Der Kassationshof hat außerdem unterstrichen, dass der Mieter keine Gegenleistung für die Tragung der Grundsteuer erhielt.

GGV empfiehlt sowohl Vermietern als auch Mietern, während der Verhandlungen über die Festsetzung  der Miete anlässlich der Verlängerung des Mietvertrages, die verschieden Kriterien für die Berechnung des Mietwertes zu berücksichtigen.

COMPLIANCE – Deutscher Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität

Die Notwendigkeit einer Reform des deutschen Rechts der Unternehmenssanktionen ist seit Jahren weitgehend unbestritten. Insbesondere der CumEx-Skandal und der Abgas-Skandal haben die Forderungen nach einem Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität wieder lauter werden lassen. Diese Forderungen sind von der Politik nicht außer Acht gelassen worden, sodass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Neuregelung des Rechts der Unternehmenssanktionen und die Regelung von internen Untersuchungen vorgesehen wurde.

Derzeit arbeitet das Justizministerium an einer Reform des Unternehmensstrafrechts. Den Entwurf für das geplante Verbandssanktionengesetz („VerSanG-E“) hat es bereits an die anderen beteiligten Ministerien zur Abstimmung weitergeleitet. Im Wesentlichen soll das Sanktionsrecht für Unternehmen neugeregelt werden, um Wirtschaftskriminalität angemessen zu ahnden. Darüber hinaus sind spezifische Verfahrensregeln sowie neue Regeln für interne Untersuchungen vorgesehen.

Das VerSanG-E sieht vor, das Sanktionsinstrumentarium zu erweitern und die Höhe der Geldsanktion künftig an der Wirtschaftskraft des Unternehmens zu orientieren. Für Unternehmen sind Sanktionen von bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes vorgesehen. Neben den Geldsanktionen können noch eine Reihe weiterer Sanktionen, wie die Auflösung des Unternehmens oder die Veröffentlichung der Verurteilung, angeordnet werden.

Da der im VerSanG-E vorgesehene Sanktionsrahmen ausgesprochen hoch ist, sind die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Sanktionsmilderung besonders für die betroffenen Unternehmen interessant. Beispielsweise besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Aufklärung und Offenlegung der Straftaten durch das Unternehmen selbst. Werden dabei bestimmte Standards eingehalten, können sich diese Bemühungen bei späteren Sanktionen strafmildernd auswirken. Diese Anforderungen bezüglich der internen Untersuchung beinhalten folgende Vorgaben:

  • einen wesentlichen Beitrag des Unternehmens zur Aufklärung des Sachverhalts, d.h. eine Milderung scheidet aus, wenn die Verfolgungsbehörde den Sachverhalt bereits aufgeklärt hat;
  • eine Trennung von Verteidigung und Untersuchung, um Interessenskollisionen zu vermeiden;
  • eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden, d.h. eine uneingeschränkte Zusammenarbeit;
  • eine Zurverfügungstellung des Ergebnisses der Untersuchung, die auch die für die Untersuchung wesentlichen Dokumente und den Abschlussbericht beinhaltet;
  • die Wahrung des fair-trial Grundsatzes, insbesondere bei der Befragung der Mitarbeiter;
  • die Einhaltung geltender Gesetze, insbesondere die datenschutz- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen;
  • eine Dokumentation über die Art und Weise der durchgeführten Untersuchung. 

Es bleibt den Unternehmen überlassen, ob sie vorstehende Vorgaben bei einer internen Ermittlung umsetzen. Tun sie dies nicht, so können sie auch nicht in den Genuss der Vorteile einer Sanktionsmilderung kommen.

Es bleibt abzuwarten, wann das Verbandssanktionengesetz geltendes Recht werden wird und welche Regelungen des Entwurfs nach der Beratung und Abstimmung im Bundestag tatsächlich in Kraft treten werden.

JUSTIZREFORM – Justizreform, Teil II

Mit der französischen Justizreform vom 23.03.2019 werden die Amtsgerichte (Tribunal d’instance) und die Landgerichte (Tribunal de grande instance) ab dem 01.01.2020 zu einem „Tribunal Judiciaire“ mit weitreichenden Befugnissen zusammengelegt. Das Gesetz sieht zudem für die „Tribunaux Judiciaires“ innerhalb eines Departements die Möglichkeit vor, Rechtsstreitigkeiten je nach Sachgebiet auf spezialisierte Kammern zu verteilen.

Am 30.08.2019 hat die französische Regierung drei Durchführungsverordnungen für dieses Reformgesetze erlassen. Hauptziel ist es, die Amtsgerichte und Landgerichte durch ein sogenanntes „Tribunal Judiciaire“ zu ersetzen.

Diese Verordnungen ermöglichen außerdem die Schaffung von spezialisierten Kammern innerhalb des „Tribunal Judiciaire“ mit insgesamt 24 Sachgebieten: zwölf Zivil- und zwölf Strafkammern. Diese Spezialisierung betrifft beispielsweise Klagen im Bereich Arzthaftung sowie Zahlungs-, Gewährleistungs- und Haftungsklagen im Bauwesen oder Klagen im Hinblick auf die Vertragserfüllung bei der Güterbeförderung etc. Die Schaffung von spezialisierten Kammern ist jedoch optional und liegt im Ermessen des Präsidenten des Berufungsgerichts und des Staatsanwalts, welche diese Entscheidung nach Einholung von Stellungnahmen der Präsidenten der betroffenen Gerichte treffen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich diejenigen Gerichte für die Schaffung von spezialisierten Kammern aussprechen werden, welche mit einer großen Anzahl von Rechtssachen oder mit wiederkehrenden und/oder technischen Rechtssachen befasst sind.

Die Verordnungen sehen außerdem die Gründung sogenannter „chambres de proximités“ vor, die insbesondere für zwei Arten internationaler Streitigkeiten zuständig sein werden, nämlich den Europäischen Zahlungsbefehl und das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen.

Diese Bestimmungen treten am 01.01.2020 in Kraft und werden im Folgenden durch weitere Verordnungen ergänzt werden, die insbesondere die Ausweitung des Anwaltszwangs und die Anpassung der Vorschriften der französischen Zivilprozessordnung zum Gegenstand haben. 

Ziel dieser Reform ist es, eine „einfachere, schnellere und effizientere“ Arbeitsweise des Justizwesens zu gewährleisten. Angesichts dieser sehr komplexen Reform wird der Rechtssuchende aber wohl mehr denn je auf die Unterstützung eines Rechtsanwalts angewiesen sein, um sich im Labyrinth des neugeregelten, französischen Prozessrechts zurechtzufinden.

GGV in eigener Sache

WORKSHOP: Anlässlich unseres „GGV Tags 2019“ hat unser Team einen Tag auf der Pferderennbahn in Enghien-Soisy verbracht. In verschiedenen Workshops haben wir Konzepte und Ideen entwickelt, wie die Arbeit unserer Kanzlei in Zukunft aussehen könnte, insbesondere in den Bereichen Business Development, Honorarvereinbarungen und digitale Kommunikation. Und natürlich wurde dabei auch die eine oder andere waghalsige Pferdewette abgeschlossen.

EMPFEHLUNG: Axelle Zenati wird auf der neuen Internetseite der Luxembourg Arbitration Association als Anwalt, insbesondere im Bereich Schiedsverfahren, empfohlen. Die LAA ist eine Organisation, die sich der Förderung und Weiterentwicklung der Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit in Luxemburg widmet.

MEET GGV: GGV Avocats – Rechtsanwälte wird beim Forum „Rencontres internationales am 27.11.2019 in Issy-les-Moulineaux mit einem Stand vertreten sein. Das Forum wird jedes Jahr von der EFB (Ecole d’Avocats)  organisiert und dient als Plattform für Berufseinsteiger, die eine internationale Karriere anstreben und sich hierzu in Gesprächen mit erfahrenen Anwälten und bei Roundtable-Diskussionen austauschen möchten. Caroline Blondel und Axelle Zenati werden vor Ort sein, um ihre Erfahrungen weiterzugeben und Fragen zu beantworten.