Deutsch-Französischer Informationsbrief | März 2022

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.

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News Frankreich

  1. HANDELSRECHT – Eine zwanzigjährige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bei versteckten Mängeln bahnt sich an
  2. HANDELSRECHT - Vertragliche Vertraulichkeitsklauseln hindern nicht die Ermittlungstätigkeit der französischen Behörden zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs
  3. HANDELSRECHT – KURZMELDUNG - das Gesetz gegen Verschwendung und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (AGEC-Gesetz)
  4. ARBEITSRECHT - Neue Legaldefinition der sexuellen Belästigung
  5. COMPLIANCE – Frankreich setzt EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern um
  6. DATENSCHUTZ - Rechte der betroffenen Personen - Auskunftsrecht
  7. DATENSCHUTZ - Cookies und Tracker - Modalitäten der Zustimmung und Ablehnung
  8. DATENSCHUTZ - CNIL-Prioritätsthemen 2022: Werbung/ kommerzielle Kommunikation
  9. CORPORATE – “Einstimmigkeit der Gesellschafter” bedeutet Einstimmigkeit aller Gesellschafter der Gesellschaft
  10. CORPORATE – KURZMELDUNG – Versammlungen der Leitungsorgane und der Gesellschafter
  11. FINANZWESEN - Das neue Register für Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

News Frankreich

HANDELSRECHT – Eine zwanzigjährige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bei versteckten Mängeln bahnt sich an

Zwei aktuelle Entscheidungen des Kassationsgerichtshofs scheinen die Rechtsprechung in Frage zu stellen, nach der die Klage wegen versteckter Mängel auf eine Verjährungsfrist von fünf Jahren ab dem Verkaufsdatum beschränkt ist. 

Die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel ermöglicht es dem Käufer eines Gutes, gegen den Verkäufer vorzugehen, wenn das Gut zum Zeitpunkt des Verkaufs mit einem versteckten Mangel behaftet war.

Zurückführend auf ein Urteil des Kassationsgerichtshofs aus 2018 (Civ. 1ère 6. Juni 2018, Nr. 17-17438, veröffentlicht im Bulletin, und Folgeurteile) war die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel zumindest in Handelssachen in eine doppelte Frist eingebettet: Einerseits musste der Käufer innerhalb von zwei Jahren nach Entdeckung des Mangels klagen (Artikel 1648 des franz. Zivilgesetzbuchs), andererseits unterlag die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel einer fünfjährigen Frist  ab dem Zeitpunkt des Verkaufs des Gutes.

Diese fünfjährige Verjährungsfrist, die ab dem Verkaufsdatum gilt, wurde beispielsweise von Herstellern von Kraftfahrzeugen mit versteckten Mängeln gegenüber Verkäufern von Gebrauchtwagen geltend gemacht, die die Garantie der Hersteller in Anspruch nehmen wollten, nachdem sie selbst vom neuen Eigentümer des Fahrzeugs verklagt worden waren.

In einem der aktuellen Urteile in Zivilsachen, in dem es um  einen Hausverkauf zwischen Privatpersonen geht (Civ. 3ème 8. Dezember 2021, Nr. 20-21.439, veröffentlicht im Bulletin), vertritt der Kassationsgerichtshof entgegen der oben erwähnten Rechtsprechung die Auffassung, dass der Beginn der Verjährungsfrist der Tag der Entdeckung des Mangels ist. Diese neue Festlegung des Fristbeginns macht die fünfjährige Verjährungsfrist des allgemeinen Rechts irrelevant, da die ansonsten vorgesehene zweijährige Frist zuerst abgelaufen ist.

Die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel wird daher im Zivilrecht nur durch die in Artikel 2232 des Zivilgesetzbuches vorgesehene Frist von 20 Jahren ab dem Tag der Entstehung des Rechts, d. h. dem Tag des Verkaufs, geregelt; die Zweijahresfrist ab der Entdeckung des Mangels gilt ansonsten immer.

In dem anderen Urteil (Civ. 3ème 16. Februar 2022, Nr. 20-19.047, veröffentlicht im Bulletin) äußert sich der Kassationsgerichtshof diesmal in Handelssachen und entscheidet sich für eine Zwischenlösung, deren praktische Umsetzung jedoch ähnlich ist. In diesem Urteil will ein Bauunternehmer gegen den Verkäufer und gegen den Hersteller fehlerhafter Materialien vorgehen, nachdem er vom Bauherrn verklagt worden war. Der Kassationshof ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist nach Artikel L110-4 des Handelsgesetzbuchs, die ab dem Tag des Verkaufs beginnt , “aussetzt” , bis die Haftung des Bauunternehmers vom Bauherrn geltend gemacht wird.

Beide Entscheidungen wurden von der dritten Zivilkammer des Kassationsgerichtshofs getroffen. Es bleibt noch zu prüfen, ob die anderen Kammern des Kassationsgerichtshofs diesem Beispiel folgen, was das Ende der Rechtsprechung von 2018 bedeuten würde. In der Zwischenzeit sollten Hersteller und Verkäufer von Gütern beachten, dass mit einem viel längeren Zeitraum zu rechnen ist, in dem die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel nach dem Verkauf geltend gemacht werden kann, als bisher.

HANDELSRECHT - Vertragliche Vertraulichkeitsklauseln hindern nicht die Ermittlungstätigkeit der französischen Behörden zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs

Am 19. Oktober 2021 urteilte die Strafkammer der Cour de cassation, dass einem Antrag auf richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zugunsten der französischen Wettbewerbsbehörde nicht entgegengehalten werden kann, dass die Anlass bietenden, durch reguläre einfache Ermittlungen gewonnenen, Verträge Vertraulichkeitsklauseln enthalten.

Cass. Crim., 19 Oktober 2021, Autorité de la concurrence c/ Swarovski, Nr. 20-85.644

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Die französischen Stellen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (die Autorité de la concurrence (ADLC) und die Direction Générale de la Concurrence, de la Consommation et de la Répression des Fraudes (DGCCRF)) sind grundsätzlich für die Ermittlungen von unlauteren Wirtschaftspraktiken ermächtigt. Ihre Ermittlungsbefugnisse sind in den Artikeln L.450-1 bis L.450-10 des französischen Handelsgesetztbuches (HGB) geregelt.

Die französischen Wettbewerbsbehörden verfügen grundsätzlich über zwei Arten von Ermittlungsbefugnissen. Zum einen, berechtigen einfache Ermittlungsbefugnisse die Ermittler dazu, ohne richterliche Genehmigung, unangekündigt die Geschäftsräume eines Unternehmens zu betreten und die Herausgabe von Geschäftsunterlagen zu verlangen (Art. L.450-3 Code de commerce). Andererseits können, sobald ein Verdacht auf wettbewerbswidrige Praktiken besteht, Durchsuchungsmaßnahmen (Inspektionen mit Durchsuchung und Beschlagnahme von Dokumenten) durch Beschluss vom Ermittlungsrichter genehmigt werden (Art. L.450-4 Code de commerce). Die Befugnis erstreckt sich auf Durchsuchungen sowohl privater als auch geschäftlicher Räume und die Beschlagnahme von Dokumenten sowohl privater als auch geschäftlicher Natur.

In dem am 19. Oktober 2021 beurteilten Fall wurden der ADLC Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach Artikel L.450-4 des französischen HGB‘s in den Räumlichkeiten des Unternehmens Swarovski durch richterlichen Beschluss genehmigt. Diesen Beschluss hatte das Pariser Landgericht (Cour d’appel de Paris), unter anderem mit der Begründung aufgehoben, dass die ADLC zur Unterstützung ihres Antrags bei Gericht auf Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss einen Vertrag mit einer Vertraulichkeitsklausel vorgelegt hatte, den die ADLC aber wiederum im Rahmen ihrer einfachen Ermittlungsbefugnis nach Artikel L. 450-3 des französischen HGB‘s als Beweis aufgenommen hatte.

Dieser Ansicht widersprach die Strafkammer der Cour de cassation. Das oberste Gericht stellte fest, dass der Ermittlungsrichter bei der Prüfung des Antrags “nicht von den – regulär im Rahmen der sich aus Artikel L.450-3 des französischen HGB‘s ergebenen Ermittlungsbefugnissen – Vertriebsverträgen absehen darf, soweit diese eine Vertraulichkeitsklausel enthalten”.

Damit dürfte für zukünftige Ermittlungen wegen unlauterer Geschäftspraktiken feststehen, dass eine vertragliche Vertraulichkeitsklausel weder die Beschlagnahme eines Vertrages durch die ADLC oder die DGCCRF verhindert noch die spätere Verwendung dieses Vertrages für die Erlangung eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses nach Artikel L.450-4 des französischen HGB’s entgegengehalten werden kann.

HANDELSRECHT – KURZMELDUNG - das Gesetz gegen Verschwendung und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (AGEC-Gesetz)

Die neuen Bestimmungen des Gesetzes Nr. 2020-105 vom 10. Februar 2020 zur Bekämpfung der Verschwendung und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft treten am 1. Januar 2022 in Kraft.

Das im Februar 2020 verabschiedete AGEC-Gesetz zielt darauf ab, unser Produktions- und Konsumsystem grundlegend zu verändern, um Abfälle zu begrenzen und die natürlichen Ressourcen, die Biodiversität und das Klima zu schützen.

Es sieht fünf Ziele vor: kein Einwegplastik mehr benutzen, bessere Informationen für Verbraucher, der Kampf gegen Verschwendung und für gemeinnützige Wiederverwendung, gegen geplante Veralterung vorgehen und besser produzieren.

Der Zeitplan für die Umsetzung des Gesetzes läuft über mehrere Jahre, wobei das Endziel darin besteht, Einwegverpackungen aus Plastik bis zum Jahr 2040 abzuschaffen.

Der 1. Januar 2022 ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Die folgenden neuen Verpflichtungen gelten insbesondere für bestimmte Kategorien von Herstellern und Inverkehrbringern und in einigen Fällen auch für Online-Marktplätze :

  • Verbraucher über die Eigenschaften und Umweltmerkmale sowie den Anteil an recyceltem Material der Produkte, die sie kaufen, informieren;
  • Das neue Triman-Logo auf Produkten und Verpackungen anbringen, um die Abfalltrennung zu erleichtern;
  • Eine individuelle Identifikationsnummer (ID Nummer) erhalten, mit der Sie die Erfüllung Ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Abfallentsorgung nachweisen können;
  • Die ID Nummer in den AGB, den Vertragsunterlagen oder auf der Webseite veröffentlichen.

Tipp von GGV: Schreiben Sie uns gerne, um zu wissen, welche Pflichten des AGEC-Gesetzes Sie betreffen!

ARBEITSRECHT - Neue Legaldefinition der sexuellen Belästigung

Ein Großteil der Bestimmungen des Gesetzes vom 2. August 2021 zur Verstärkung der Vorbeugung für die Gesundheit am Arbeitsplatz wird am 31. März 2022 in Kraft treten. Mit dem Gesetz wurde auch die Definition der sexuellen Belästigung im Arbeitsgesetzbuch mit dem Ziel geändert, diese an die strafrechtliche  Definition anzupassen.

Das neue Gesetz erweitert den Begriff der sexuellen Belästigung, indem es bestimmt, dass “sexistische” Äußerungen oder Verhaltensweisen ebenfalls eine sexuelle Belästigung darstellen können.

Der Begriff Sexismus war bereits in Artikel L. 1142-2-1 des Arbeitsgesetzbuchs enthalten, das eine sexistische Handlung definiert als “jede Handlung, die mit dem Geschlecht einer Person in Verbindung steht und zum Ziel oder zur Folge hat, dass ihre Würde verletzt wird oder ein einschüchterndes, feindseliges, erniedrigendes, entwürdigendes oder beleidigendes Umfeld geschaffen wird”.

Im Gegensatz zur sexistischen Handlung, die auf einen einmaligen Vorfall abzielt, zielt die sexuelle Belästigung im Sinne des neugefassten Artikels L. 1153-1 Nr. 1 des Arbeitsgesetzbuches auf die Wiederholung von sexistischen Äußerungen oder Verhaltensweisen ab.

  • Das neue Gesetz ergänzt die Definition von sexueller oder sexistischer Belästigung, indem es sie ausweitet auf: Äußerungen oder Verhaltensweisen von mehreren Personen in Absprache oder auf Anregung einer dieser Personen, die ein und dasselbe Opfer erleidet werden, auch wenn keine dieser Personen wiederholt gehandelt hat;
  • Äußerungen oder Verhaltensweisen, die ein und dasselbe Opfer nacheinander durch mehreren Personen erleidet, die, auch wenn sie sich nicht abgesprochen haben, wissen, dass diese Äußerungen oder Verhaltensweisen eine Wiederholung darstellen.

Anders als das Strafgesetzbuch sieht das Arbeitsgesetzbuch jedoch nicht vor, dass die Äußerungen oder Verhaltensweisen aufgezwungen sein müssen. Es ist ausreichend, dass diese erlitten wurden. Auf einen Vorsatz kommt es also nicht an, damit der arbeitsrechtliche Tatbestand der sexuellen oder sexistischen Belästigung erfüllt ist. Ist der Tatbestand erfüllt, handelt es sich um einen schwerwiegendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das  eine Disziplinarmaßnahme nach sich ziehen kann.

Überraschenderweise sieht das neue Gesetz nicht vor, dass ähnliche Bestimmungen in die arbeitsrechtliche Definition von Mobbing aufgenommen werden, obwohl das Strafgesetzbuch Mobbing durch mehrere Personen (Bande) unter Strafe stellt.

Die Erweiterung des Begriffs der sexuellen Belästigung muss vom Arbeitgeber bei der Umsetzung seiner Pflichten zur Information der Arbeitnehmer und zur Vorbeugung von berufsbedingten Risiken berücksichtigt werden.

So muss der Arbeitgeber die Betriebsordnung, die in Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern obligatorisch ist, aktualisieren, da diese die Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches über sexuelle Belästigung und sexistische Handlungen wiedergeben muss. Der Arbeitgeber muss außerdem das interne Verfahren zur Meldung und Behandlung von Vorfällen sexueller Belästigung aktualisieren und die Risiken, die sich aus der neuen Definition ergeben, im Dokument über die Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen.

Schließlich erweitert die neue Definition der sexuellen Belästigung den Aufgabenbereich der Referenten für sexuelle Belästigung und sexistische Übergriffe, sowohl der vom Betriebsrat (Comité social et économique, CSE) aus den Reihen seiner Mitglieder bestellten Referenten als auch der vom Arbeitgeber in Unternehmen mit  250 Arbeitnehmern oder mehr bestellten Referenten.

COMPLIANCE – Frankreich setzt EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern um

In unserem deutsch-französischen Informationsbrief vom März 2020 hatten wir das Wesentliche der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern dargestellt. Zum 16.02.2022 hat der französische Senat den endgültigen Gesetzesentwurf des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern (sog. „Loi visant à améliorer la protection des lanceurs d’alerte“) verabschiedet und die Richtlinie umgesetzt. Im Folgenden fassen wir die bedeutendsten Änderungen zusammen.

Die erste bedeutende Änderung ist die neue Definition des Hinweisgebers. Es handelt sich demnach um eine natürliche Person, die gutgläubig und ohne direkte finanzielle Gegenleistung Informationen über Verstöße, einschließlich begründeter Verdachtsmomente, in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle Verstöße, gegen geltende Rechtsvorschriften oder über Gefährdung oder Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses   meldet. Die bisherigen Regelungen sahen neben der Gutgläubigkeit ein uneigennütziges Handeln sowie die persönliche Kenntnis des Hinweisgebers betreffend den gemeldeten Tatsachen vor. Das Vorliegen eines uneigennützigen Handelns wurde folglich durch die präzisere Voraussetzung des Nichtvorhandenseins einer direkten finanziellen Gegenleistung ersetzt.  Ferner ist das Vorliegen einer der persönlichen Kenntnis künftig nur noch bei Meldungen erforderlich, deren Gegenstand auf Informationen beruht, die außerhalb des beruflichen Kontextes des Hinweisgebers erlangt wurden.

Die zweite wichtige Neuerung ist die Erweiterung des dem Hinweisgeber gewährten Schutzes auf bestimmte Dritte. Die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz des Hinweisgebers gelten somit auch für die folgenden Personen:

  • Mittler, d.h. natürliche Personen oder gemeinnützige juristische Personen, die den Hinweisgeber bei der Abgabe der Meldung unterstützten;
  • natürliche Personen, die in Verbindung mit dem Hinweisgeber stehen;
  • juristische Personen, die im wirtschaftlichen Eigentum des Hinweisgebers stehen oder für die der Hinweisgeber arbeitet oder mit denen er in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht.

Die dritte wesentliche Änderung infolge des neuen Gesetzes ist das gleichberechtigte Nebeneinanderstehen von internen und externen Meldekanälen : Dem Hinweisgeber steht es frei, sich direkt an die zuständigen externen Behörden zu wenden, ohne zuvor den internen Meldekanal zu nutzen. Folglich ist die gesetzlich festgelegte Vorrangigkeit des internen Meldekanals aufgehoben worden. Das Gesetz legt ferner explizit die drei Fälle fest, in denen dem Hinweiswegeber im Falle einer Offenlegung des Hinweises  der gesetzlich vorgesehene Schutz  gewährleistet wird: (i) beim Ausbleiben einer Rückmeldung innerhalb des Ablaufs der Rückmeldefrist (ii) beim Vorliegen einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefahr für das öffentliche Interesse (iii) bei drohenden Repressalien oder geringen Aussichten auf ein wirksames Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß.

Ferner sieht das Gesetz vor, dass die internen Meldekanäle nicht nur den Arbeitnehmern sowie Mitarbeitern (externe oder zeitweilige) des betroffenen Unternehmens zugänglich gemacht werden müssen, sondern darüber hinaus auch ehemaligen Arbeitnehmern, Bewerbern, Anteilseignern, Mitgliedern  des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans  sowie den Vertragspartnern und Subunternehmern oder sofern es sich dabei um juristische Personen handelt  den Mitgliedern des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans sowie deren Belegschaft. Folglich haben  die betroffenen Unternehmen sicherzustellen, den vorgenannten Personenkreis über die Existenz und die Funktionsweise seiner internen Meldekanals vollumfänglich zu informieren.

Eine weiteres Novum : Die betroffenen Unternehmen sind dazu verpflichtetet in ihrer Betriebsordnung auf das Bestehen des Hinweisgeberschutzes hinzuweisen. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen, die mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, zwangsläufig eine Änderung der Betriebsordnung vornehmen müssen.

Tipp von GGV : Einrichtung eines zuverlässigen und effizienten Hinweisgebersystems in das die Arbeitnehmer das nötige Vertrauen haben und somit die Nutzung des internen Meldekanal vorziehen.

DATENSCHUTZ - Rechte der betroffenen Personen - Auskunftsrecht

Anfang Januar hat die CNIL klargestellt, wie Arbeitnehmer unter Beachtung der Rechte Dritter, ihr Auskunftsrecht gegenüber ihrem Arbeitgeber ausüben können. Gleichzeitig hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) einen Entwurf für Leitlinien zum Auskunftsrecht angenommen und zur öffentlichen Konsultation freigegeben.

Worin besteht das Auskunftsrecht?

Das Auskunftrecht ist in Artikel 8 der Europäischen Charta der Grundrechte sowie in Artikel 15 DSGVO verankert. Es soll Personen, deren personenbezogene Daten verarbeitet werden, die Möglichkeit geben, von dem Verantwortlichen :

  • Bestätigung der Tatsache zu bekommen, dass personenbezogene Daten in der Organisation verarbeitet werden (oder nicht)
  • einen Zugang zu den verarbeiteten Daten zu bekommen
  • Informationen über die durchgeführten Datenverarbeitungen (insbesondere über den Zweck, die Empfänger, die Dauer der Datenspeicherung etc. ) zu erhalten

Durch die Ausübung dieses Rechts muss die betroffene Person insbesondere in der Lage sein, die Richtigkeit der verarbeiteten Daten zu überprüfen, um gegebenenfalls deren Berichtigung oder Löschung zu erwirken.

Die Verordnung erlaubt es dem für die Verarbeitung Verantwortlichen, Anträge abzulehnen, die übermäßig oder unbegründet sind.

Ebenso darf das Recht, eine Kopie der personenbezogenen Daten zu erhalten, nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigen (wie z. B. das Urheberrecht, das Briefgeheimnis, das Recht auf Privatsphäre, das Geschäftsgeheimnis usw.).

Wie muss der Arbeitgeber auf das von einem Arbeitnehmer ausgeübte Auskunftsrecht reagieren?

In ihrer Stellungnahme weist die CNIL zunächst darauf hin, dass auch in einem beruflichen Kontext personenbezogene Daten von Arbeitnehmern vom Arbeitgeber erhoben und verarbeitet werden können. Dies vorausgeschickt  führt die CNIL insbesondere folgende Klarstellungen an:

1/ Das Zugangsrecht bezieht sich lediglich auf personenbezogene Daten. Die betroffene Person kann sich also nicht auf das Auskunftsrecht berufen, um die Herausgabe von bestimmten Unterlagen zu erwirken.

2/ Wenn sich die Anfrage auf E-Mails bezieht, scheint (so die CNIL) “die Übermittlung einer Kopie der E-Mails die einfachste Lösung für die Organisation zu sein, um der Anfrage nachzukommen, ist aber nicht zwingend erforderlich.”

3/ Um einem Antrag auf Zugang zu geschäftlichen E-Mails nachzukommen, ohne die Rechte anderer unverhältnismäßig zu verletzen, aber auch ohne die Erfüllung des Antrags generell zu verweigern, muss der Arbeitgeber zwischen zwei Situationen unterscheiden: 1. Der Antragsteller ist der Absender oder Empfänger der E-Mails, auf die sich der Antrag bezieht. der 2.Antragsteller wird nur im Inhalt der E-Mails erwähnt.

Im 1. Fall ist davon auszugehen, dass der Antragsteller bereits Kenntnis des Inhalts der betroffenen Nachrichten hatte, so dass davon auszugehen ist, dass die Weitergabe die Rechte Dritter nicht beeinträchtigt. Sollte die Weitergabe trotz allem ein Risiko für die Rechte und Freiheiten Dritter darstellen, sollte der Arbeitgeber vor Übermittlung der betroffenen Nachrichten – und sofern möglich – die betroffenen Daten löschen, anonymisieren oder pseudonymisieren. Nur als allerletztes Mittel kann der Arbeitgeber den Antrag ablehnen.

Im 2.  Fall, d.h. wenn nur im Inhalt der E-Mails, die Gegenstand des Auskunftsrechts sind, erwähnt wird, muss der Arbeitgeber in zwei Schritten vorgehen: zunächst muss er prüfen, ob die Mittel, die zur Identifizierung der angeforderten E-Mails verwendet werden, nicht unverhältnismäßig stark in die Rechte aller Arbeitnehmer der Organisation eingreifen. Anschließend kann er den Inhalt der angeforderten E-Mails untersuchen und beurteilen, inwieweit die Rechte Dritter durch die Weitergabe der E-Mails beeinträchtigt werden. Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallprüfung.

Tipp von GGV: Angesichts der stetig steigenden Zahl von Anträgen auf Ausübung des Auskunftsrechts sind diese Klarstellungen der CNIL zu begrüßen, aber sie werden es den Arbeitgebern vielleicht nicht ermöglichen, alle ihre Fragen zu beantworten. Insbesondere die Frage, auf welche Daten sich das Auskunftsrecht konkret bezieht, bleibt offen. Die Leitlinien des EDSA werden hier Klarheit schaffen.

In der Zwischenzeit kann unser Datenschutz-Team Sie bei der Beantwortung von Anfragen zur Ausübung von Rechten seitens des Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers begleiten!

DATENSCHUTZ - Cookies und Tracker - Modalitäten der Zustimmung und Ablehnung

Am 31.12.2021 verhängte die französische Aufsichtsbehörde CNIL gegen Google und Facebook Strafen in Höhe von je 150 Millionen Euro und 60 Millionen Euro wegen einem Verstoß gegen die im Jahr 2020 erlassenen Cookie-Richtlinien (Beschlüsse SAN-2021-023 und SAN-2021-024 vom 31.12.2021).

Die Cookie Regelung

Artikel 82 des französischen Datenschutzgesetzes (loi Informatique et Libertés) bestimmt, dass die Speicherung von Informationen auf einem Endgerät (d. h. auf Computern, Mobiltelefonen, vernetzten Fahrzeugen usw.) oder der Zugriff auf bereits gespeicherte Informationen, nur unter Einholung der vorherigen Einwilligung des Nutzers zulässig ist. Von einer Einwilligungspflicht ausgenommen sind  die Speicherung bzw. der Zugriff auf Informationen, die:

  • notwendig sind, um einen vom Nutzer ausdrücklich angeforderten Online-Kommunikationsdienst bereitzustellen, oder
  • ausschließlich den Zweck haben, eine elektronische Kommunikation zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Welche Merkmale eine gültige Einwilligung aufweisen muss, ergibt sich aus Artikel 4, 11) DS-GVO: “jede freie, spezifische, informierte und unmissverständliche Willensbekundung, mit der die betroffene Person durch eine Erklärung oder einen eindeutigen positiven Akt akzeptiert, dass sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen”.

Aus Sicht der französischen CNIL setzt eine “freie” Einwilligung voraus, dass der Nutzer eine echte Wahl und Kontrolle hat. Demnach fordert die CNIL in ihren Leitlinien von September 2020, dass die Einwilligung so einfach zurückgezogen werden kann, wie sie gegeben wurde.

Insbesondere vertritt die CNIL im Rahmen ihrer Empfehlung vom 17.09.2020, welche die Leitlinien vom selben Datum vervollständigt, die Auffassung, dass “der für die Verarbeitung Verantwortliche dem Nutzern sowohl die Möglichkeit bieten muss, Lese- und/oder Schreibvorgänge mit demselben Grad an Einfachheit zu akzeptieren als auch abzulehnen”.

Zu den Entscheidungen

Im Rahmen der durchgeführten Kontrollen hat die CNIL festgestellt, dass Nutzer, die auf google.fr, youtube.com und facebook.com zugreifen, mehrere Schaltflächen anklicken müssen, bevor sie die Verwendung von Cookies ablehnen können. Der Internetnutzer muss demnach auf die Rubrik “Personalisieren” oder “Dateneinstellungen verwalten” zugreifen und so mehrere Aktionen durchführen, um die Cookies abzulehnen.[1] Die Einwilligung dagegen wird über einen einfachen Klick eingeholt.

Diese Vorgehensweise führt dazu, dass Nutzer davon abgehalten werden, Cookies abzulehnen, und dazu verleitet werden, sie zu akzeptieren, und ihnen somit eine echte Wahlfreiheit vorenthalten wird. Nach Ansicht der CNIL handelt es sich somit um einen Verstoß gegen Artikel 82 des Gesetzes “Informatique et Libertés” in Verbindung mit Artikel 4, 11) der DSGVO.

Tipp von GGV: Werden die Leitlinien der CNIL nicht eingehalten, kann dies zu nicht unerheblichen finanziellen Folgen führen. Es ist deshalb geboten, Leitlinien und Empfehlungen der CNIL einzuhalten und Webseitenbesuchern die Möglichkeit einzuräumen, Cookies ebenso einfach abzulehnen wie zu akzeptieren, z. B. indem sie eine Schaltfläche “Ablehnen” auf derselben Ebene wie die Schaltfläche “Akzeptieren” einfügen. Sie können sich mit einem Anwalt der Kanzlei in Verbindung setzen, um Sie bei der Einhaltung der Vorschriften zu unterstützen.

[1] §109, CNIL-Entscheidung SAN-2021-024 vom 31. Dezember 2021; §120, CNIL-Entscheidung SAN-2021-023 vom 31. Dezember 2021.

DATENSCHUTZ - CNIL-Prioritätsthemen 2022: Werbung/ kommerzielle Kommunikation

Am 15.02.2022 gab die CNIL die vorrangigen Themen bekannt, auf die sie ihre Kontrollen im kommenden Jahr konzentrieren wird. Neben der Cloud erklärte die CNIL, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Vorschriften für die kommerzielle Kommunikation und die Überwachung von Arbeitnehmern im Rahmen der Telearbeit richten werde.

Eine der Aufgaben der französischen Aufsichtsbehörde CNIL besteht darin, zu kontrollieren, ob und inwiefern die im Bereich Datenschutz anwendbaren Vorschriften (darunter die DS-GVO und das französische Datenschutzgesetz « Loi informatique et libertés ») durch öffentliche oder private Stellen eingehalten werden. In diesem Zusammenhang führt die CNIL Untersuchungen sowie formelle Kontrollverfahren durch. Ein Teil der eingeleiteten Verfahren ist auf Meldungen oder Beschwerden zurückzuführen oder hängt mit aktuellen Themen zusammen. Abgesehen davon, wählt die CNIL jedes Jahr einige Themen aus, die insbesondere aufgrund ihrer Auswirkungen auf das Privatleben zahlreicher Personen besonders herausstechen. Diese Themen werden der Öffentlichkeit bekannt gemacht und führen zu Kontrollmaßnahmen. Nach Abschluss ihres Jahresprogramms zieht die CNIL eine Bilanz über die festgestellten Praktiken.

Schwerpunkt Werbung/ kommerzielle Kommunikation

Die Art und Weise wie kommerzielle Werbung durchgeführt werden kann, hängt vom Empfänger der Werbebotschaften (Gewerbetreibender oder Verbraucher) sowie vom verwendeten Medium (E-Mail, Post oder Katalog in Papierform, Telefonwerbung, …) ab.

Gemäß Artikel L. 34-5 des französischen Code des postes et communications électroniques (Gesetzbuch für Post und elektronische Kommunikationen) setzt die Versendung von Werbenachrichten per E-Mail, SMS, usw. voraus, dass die vorherige ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person eingeholt wurde. Hiervon ausgenommen ist der Fall, in dem die Kontaktdaten der betroffenen Person im Rahmen eines Kaufvertrages oder einer Dienstleistung erhoben wurden und sich die Werbebotschaften auf ähnliche Produkte oder Dienstleistungen beziehen.

Eine vorherige Einwilligung ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn Werbebotschaften in Papierform oder per Telefon versendet werden. Dasselbe gilt für elektronische Nachrichten an Gewerbetreibende, vorausgesetzt die Produkte oder Dienstleistungen stehen in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der betroffenen Person.

In diesen Fällen muss die Person allerdings die Möglichkeit haben, sich der Verwendung ihrer Daten für Werbezwecke zu widersetzen, sei es zum Zeitpunkt der Erhebung als auch zu jedem späteren Zeitpunkt.

Zu beachten ist, dass die betroffene Person – unabhängig von der Art der Werbung und dem Empfänger der Werbenachricht – noch vor Zustellung einer Werbung, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Daten, eine vollumfängliche und transparente Information über den für die Verarbeitung Verantwortlichen, Zweck der Verarbeitungen, Empfänger der Daten, die eventuelle Weitergabe der Daten an Partner, die Kategorien von Partnern, die Dauer der Datenspeicherung, die Rechte der betroffenen Person usw. (gemäß Art. 12 ff DS-GVO) erhalten muss.

Weiter beachtet werden sollte, dass im Falle einer (kostenlosen oder kostenpflichtigen) Weitergabe personenbezogener Daten an Geschäftspartner, der für die Verarbeitung Verantwortliche die Einwilligung der Personen zu dieser Weitergabe einholen muss, wenn der Partner kommerzielle Kommunikationen auf elektronischem Weg versenden wird. Sind die vom Partner geplanten Werbeaktionen hingegen nicht einwilligungspflichtig, müssen die betroffenen Personen lediglich die Möglichkeit haben, sich der Weitergabe ihrer Daten zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Daten und jederzeit danach zu widersetzen.

CORPORATE – “Einstimmigkeit der Gesellschafter” bedeutet Einstimmigkeit aller Gesellschafter der Gesellschaft

Der französische Kassationsgerichtshof (Cour de cassation) hat Klarstellungen zum Begriff der Einstimmigkeit von Gesellschaftsbeschlüssen getroffen: Wenn das Gesetz zur Annahme eines Beschlusses eine einstimmige Entscheidung der Gesellschafter (“l’unanimité des associés”) fordert, sind hiermit alle Gesellschafter der Gesellschaft, nicht lediglich die bei der Versammlung anwesenden Gesellschafter gemeint.

Cour de cassation, 3. Zivilkammer, 5. Januar 2022, Nr. 20-17.428 FS-B

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Im zugrunde liegenden Fall hatte die Gesellschafterversammlung einer französischen Immobiliengesellschaft – nach französischem Recht eine Société civile immobilière (SCI) – Beschlüsse über die Genehmigung von Jahresabschlüssen, die Entlastung der Co-Geschäftsführer und des Verwalters, der Verwendung von Geschäftsjahresergebnissen (Auszahlung von Dividenden) und die Vergütung des vorläufigen Verwalters getroffen. Die Satzung der Gesellschaft sah für die Genehmigung des Jahresabschlusses keine Regelungen vor; für die Entscheidungen über die Entlastung des Verwalters und die Verteilung der Ergebnisse erforderte die Satzung Einstimmigkeit mit den Stimmen der von der Gesellschaft geschaffenen Anteile (“à l’unanimité des voix attachées aux parts créées par la société”). Der Cour d’appel de Basse-Terre hat am 27. Januar 2020 entschieden, dass die Beschlüsse einstimmig von allen Gesellschaftern, einschließlich der bei der Versammlung nicht anwesenden hätten genehmigt werden müssen.

Dem hat der Cour de cassation in seiner Entscheidung vom 5. Januar 2022 zugestimmt und das eingelegte Rechtsmittel abgewiesen aufgrund des Artikels 1852 des Code Civil (bürgerliches Gesetzbuch) welcher lautet: “Entscheidungen, die über die den Geschäftsführern zugestandenen Befugnisse hinausgehen, werden gemäß den Bestimmungen der Satzung oder, wenn solche Bestimmungen fehlen, einstimmig von den Gesellschaftern getroffen”.

Der Cour de Cassation stellte daher fest, dass sich der Text des Artikel 1852 Code civile   nicht auf die Einstimmigkeit der bei einer Gesellschafterversammlung anwesenden oder vertretenen Gesellschafter beschränke, sondern sich auf die Gesamtheit der Gesellschafter der Gesellschaft beziehe. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass die Gesellschafter bei derart grundlegenden Entscheidungen nicht als Mitglieder eines Kollektivorgans, sondern in ihrere Eigenschaft als vertraglich gebundene Teile der Gesellschaft entscheiden.

Es spricht einiges dafür, dass die Entscheidung auch auf Handelsgesellschaften (sociétés commerciales) übertragen werden kann. Der Cour d’appel de Versailles hat bereits im Jahr 2005 im Zusammenhang mit der Umwandlung einer Aktiengesellschaft (Société anonyme (SA) in eine vereinfachte Aktiengesellschaft (Société par actions simplifiée (SAS), die gem. Artikel L.227-3 Code de commerce (Handelsgesetzbuch) ebenfalls Einstimmigkeit der Gesellschafter (“l’unanimité des associés”) erfordert, entschieden, dass sich die Einstimmigkeit i.S.v. Artikel L.227-3 Code de commerce grundsätzlich auf die Gesamtheit der Gesellschafter beziehe, die durch den Gesellschaftsvertrag verbunden seien.

Daher dürften die Satzungen, die lediglich das Erfordernis der “Einstimmigkeit der Gesellschafter” formulieren, ohne näher zu definieren, welche Gesellschafter hiermit gemeint sind, dahingehend auszulegen sein, dass grundsätzlich alle Gesellschafter der Gesellschaft zustimmen müssen. Im Falle eines Verstoßes gegen die Beschlussfassungsvorschriften droht die Ungültigkeit des Gesellschafterbeschlusses.

CORPORATE – KURZMELDUNG – Versammlungen der Leitungsorgane und der Gesellschafter

Bis einschließlich 31. Juli 2022 können die kollegialen Verwaltungs-, Aufsichts- oder Leitungsorgane juristischer Personen ihre Versammlungen als Telefon- oder Videokonferenz oder als schriftliche Beschlussfassung abhalten, ohne dass eine Klausel in der Satzung oder der Geschäftsordnung dafür erforderlich ist oder dem entgegenstehen kann. Im Übrigen darf die Regierung bis zum 22. April 2022 eine Verordnung mit weiteren Bestimmungen erlassen, die das Zusammenkommen und Beraten der Generalversammlungen und der kollegialen Führungsgremien vereinfachen (Gesetz vom 21. Januar 2022, 2022-46, Art. 13: JO 23 Text Nr. 1).

FINANZWESEN - Das neue Register für Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Die Schaffung eines einheitlichen Registers für die Eintragung von Sicherungsrechten ist eine der wichtigen Neuerungen der Verordnung Nr. 2021-1192 vom 15.09.2021, durch welche der französische Gesetzgeber die Sicherungsrechte reformiert hat.

In dem ab dem 1.1.2023 bestehenden, einheitlichen Register “der beweglichen Sicherungsrechte und anderer damit verbundenen Vorgänge” (Dekret Nr. 2021-1887 vom 29.12.2021) werden Informationen über bewegliche Sicherungsrechte zentralisiert und deren Zugänglichkeit verbessert.

Bis zum 31.12.2022 existieren weiterhin zwei Register für Sicherungsrechte an beweglichen Sachen: das Verzeichnis der privilegierten Gläubiger und Pfandrechte auf immaterielle Vermögensgegenstände und das Verzeichnis der Pfandrechte auf körperliche Vermögensgegenstände.

Das künftige einheitliche Register für Sicherungsrechte an beweglichen Sachen wird unter anderem Folgendes umfassen:

  • Verpfändungen ohne Sicherheitsübereignung;
  • Verpfändungen von Gesellschaftsanteilen an Zivilgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und offenen Handelsgesellschaften;
  • die Vorrechte des Verkäufers eines Geschäftsvermögens („fonds de commerce“);
  • Verpfändungen des Geschäftsvermögens;
  • Forderungsanmeldungen nach einem Verkauf oder einer Abtretung eines Geschäftsvermögens;
  • Maßnahmen zur Unveräußerlichkeit, die während eines Insolvenzverfahrens angeordnet werden;
  • oder auch Leasinggeschäfte über bewegliche Sachen.

Nicht enthalten sind Informationen über Sicherungsrechte an Vermögenswerten des geistigen Eigentums wie Patenten, Marken und Software, die weiterhin nur in den speziell dafür vorgesehenen Registern aufgeführt werden, mit Ausnahme von solchen, die Teil eines Pfandrechts auf ein Geschäftsvermögen sind. In diesem Rahmen wird die Auflistung, die bei der Eintragung des Pfandrechts erstellt wird, auch die betreffenden geistigen Eigentumsrechte erwähnen.

Die Eintragung von Sicherungsrechten an beweglichen Sachen wird zudem online über ein nationales Portal zugänglich sein, in dessen Rahmen die Registereintragungen von Sicherungsrechten an beweglichen Sachen der Registrare aller französischen Handelsgerichte zentralisiert.

Nach der Eintragung bei der örtlich zuständigen Registrarstelle wird das Sicherungsrecht an dem Tag, an dem es ordnungsgemäß eingetragen wurde, für eine Dauer von nunmehr fünf Jahren geführt. Die Eintragung kann vor Ablauf dieser Frist unter Beibehaltung des Rangs des Gläubigers an der beweglichen Sache erneuert werden.

Im Übrigen wird eine Eintragung im französischen Handels- und Gesellschaftsregister (Registre du Commerce et des Sociétés) keine Bedingung mehr sein für die Eintragung von Sicherungsrechten, so dass ausländische Unternehmen, die nicht in Frankreich ansässig sind, ihre Sicherungsrechte an beweglichen Sachen in das Register werden eintragen lassen können. Dies ist ein großer Fortschritt, durch den Frankreich mit der Regelung in einer großen Anzahl anderer Länder gleichzieht.

Neben dem bereits existierenden Register der Hypothekenrechte wird das neue Register für Sicherungsrechte an beweglichen Sachen ein wirksames Instrument für potenzielle Gläubiger und Geschäftspartner sein, um sich über den Vermögensstatus von Gesellschaften zu informieren.

Tipp von GGV: Wir begleiten Sie bei der Eintragung Ihrer Sicherheiten und der Abfrage des Registers.