Deutsch-Französischer Informationsbrief | Juli 2021

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.

News Frankreich

  1. IMMOBILIENRECHT - Die zeitliche Anwendung des Pinel-Gesetzes auf einen erneuerten Mietvertrag
  2. IMMOBILIENRECHT - Eine gültige Bürgschaft trotz eines ungültigen handschriftlichen Vermerks
  3. DATENSCHUTZ - Nachrichtenübersicht zum internationalen Datentransfer
  4. INSOLVENZRECHT - Automatische Aufhebung der Ausschlussfrist bei Nichtvorlage der Liste der angemeldeten Forderungen durch den Schuldner
  5. CORPORATE - Die Haftung der Geschäftsführung trotz erteilter Entlastung auf der Gesellschafterversammlung

News Frankreich

IMMOBILIENRECHT - Die zeitliche Anwendung des Pinel-Gesetzes auf einen erneuerten Mietvertrag

Parteien eines Gewerbemietvertrags, der vor dem 20.06.2014 abgeschlossen wurde und dessen Ende der Laufzeit sich nähert, können vor der Entscheidung stehen, ob es besser ist, den Mietvertrag zu verlängern oder einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Diese Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Bestimmungen des Pinel-Gesetzes von 2014 auf Mietverträge. Kürzlich hatte der Kassationshof über die Anwendung der Bestimmungen des Pinel-Gesetzes auf einen erneuerten Mietvertrag zu entscheiden.

Am Ende der anfänglichen Laufzeit eines gewerblichen Mietvertrags können der Mieter und der Vermieter den Mietvertrag auf zwei Arten verlängern. Der Mietvertrag kann stillschweigend verlängert werden, wenn weder der Vermieter noch der Mieter kündigen. Im Falle einer Kündigung kann der Mieter in den Räumlichkeiten bleiben, indem er einen neuen Mietvertrag abschließt, der dann als erneuerter Mietvertrag bezeichnet wird. Der erneuerte Mietvertrag ist ein neuer Vertrag und unterliegt daher den für gewerbliche Mietverträge geltenden Regeln.

Der Status von gewerblichen Mietverträgen wurde jedoch durch das Gesetz vom 18.06.2014, bekannt als “Pinel-Gesetz”, wesentlich verändert. Einige Bestimmungen des Pinel-Gesetzes sind auf Verträge anwendbar, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 20.06.2014 abgeschlossen oder erneuert wurden. Wiederum andere Bestimmungen sind auf Verträge anwendbar, die nach der Veröffentlichung des Dekrets, welches die Anwendungsmodalitäten des Gesetzes näher definiert, am 03.11.2014 oder nach dem 05.11.2014 geschlossen oder erneuert worden sind.

In diesem Zusammenhang hatte der Kassationshof zu entscheiden, welches Datum eines erneuerten Mietvertrages für die Anwendung der Bestimmungen des Pinel-Gesetzes heranzuziehen ist. Im vorliegenden Fall hatte ein Vermieter seinem Mieter eine Kündigung mit einem Erneuerungsangebot zum 01.04.2014 übermittelt. Der Mietvertrag wurde jedoch erst nach dem 05.11.2014 unterzeichnet. Vor Gericht machte der Mieter geltend, dass der unterzeichnete Mietvertrag den Bestimmungen des Pinel-Gesetzes unterliege.

Der Kassationshof wies den Antrag des Mieters zurück (Cass. 3e civ. 17.06.2021, Nr. 20-12.844). Das Gericht führte an, dass das zu berücksichtigende Datum das Datum des Inkrafttretens des Mietvertrags und nicht das Datum der Unterzeichnung des erneuerten Mietvertrags sei. Die Bestimmungen des Pinel-Gesetzes, die für Verträge gelten, die ab dem 05.11.2014 geschlossen oder verlängert wurden, kamen in diesem Fall nicht zur Anwendung, da das Datum des Inkrafttretens des erneuerten Vertrags vor dem Inkrafttreten der Bestimmungen lag.

Tipp von GGV: Seit dem 05.11.2014 unterliegen alle erneuerten Mietverträge den Bestimmungen des Pinel-Gesetzes. Sowohl der Vermieter als auch der Mieter müssen dies berücksichtigen, wenn sie den Mietvertrag mit einem Angebot zur Erneuerung des Vertrags kündigen wollen.

IMMOBILIENRECHT - Eine gültige Bürgschaft trotz eines ungültigen handschriftlichen Vermerks

In einem Urteil vom 02.06.2021 hat der Kassationshof die Gültigkeit eines Bürgschaftsvertrags bestätigt, obwohl eines der beiden ausgehändigten Exemplare des Vertrags nicht den rechtlichen Vorgaben entsprach. Diese Entscheidung macht deutlich, dass die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich eines Bürgschaftsvertrags strikt eingehalten werden müssen.

Beim Abschluss einer Bürgschaft mit einem professionellen Gläubiger muss die natürliche Person, die als Bürge auftritt, ihrer Unterschrift einen handschriftlichen Vermerk voranstellen. Andernfalls ist die Bürgschaft ungültig.

In diesem Fall hatte eine Bank einem Unternehmen ein Darlehen gewährt, für das sich eine natürliche Person verbürgte. Beide Verträge wurden zweifach ausgehändigt. Nach dem der Schuldner insolvent wurde, versuchte die Bank Rückgriff beim Bürgen zu nehmen. Der Bürge wand ein, dass seine Verpflichtung nichtig sei und berief sich auf seine Kopie der Bürgschaftsurkunde, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Die Bank dagegen verwies auf ihr Exemplar der Bürgschaftsurkunde, das wiederum den gesetzlichen Bestimmungen entsprach.

Der Kassationshof erklärt regelmäßig eine Bürgschaft, die eine natürliche Person einem professionellen Gläubiger gewährt hat, für nichtig, wenn eine solche Diskrepanz zwischen dem vorgeschriebenen und dem tatsächlich in der Urkunde enthaltenen Vermerk besteht, dass Bedeutung und Umfang des Vermerks beeinträchtigt sind.

In diesem Fall hat das Gericht die Bürgschaft für gültig befunden. Da es sich bei einer Bürgschaft um einen einseitigen Vertrag handelt, durch den sich nur der Bürge gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, ist nur ein Original der Urkunde erforderlich. Der Bürge hatte nicht bestritten, den konformen Vermerk auf dem im Besitz des Gläubigers befindlichen Exemplar eigenhändig geschrieben zu haben. Daher sah das Gericht keinen Anlass, den Vertrag für nichtig zu erklären.

Tipp von GGV: Auch wenn sich die Pflichtangaben in einem Bürgschaftsvertrag unterscheiden, je nachdem, ob der Bürge eine natürliche oder eine juristische Person ist, sollten sowohl der Bürge wie auch die Begünstigten bei der Erstellung eines Bürgschaftsvertrags besonders aufpassen.

DATENSCHUTZ - Nachrichtenübersicht zum internationalen Datentransfer

Wie bereits in einem vorangegangenen Artikel zum Schrems-II-Urteil erwähnt, können personenbezogene Daten grundsätzlich nur dann an ein Drittland übermittelt werden, wenn ein ausreichendes Schutzniveau für die Privatsphäre und die Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen gewährleistet ist (Artikel 44 ff. der DSGVO).

Ein solches angemessenes Schutzniveau liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Europäische Kommission beschlossen hat, dass das betroffene Drittland, ein Gebiet oder ein oder mehrere bestimmte Sektoren in diesem Drittland oder die betreffende internationale Organisation ein angemessenes Schutzniveau bieten (Artikel 45 DSGVO).

So hat die Kommission am 28. Juni 2021 beschlossen, dass Großbritannien ein angemessenes Schutzniveau bietet und einen entsprechenden Angemessenheitsbeschluss erlassen. Darüber hinaus wurde am 16. Juni 2021 das Verfahren zur Annahme eines Angemessenheitsbeschlusses für die Republik Korea eingeleitet (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_2964).

Im Hinblick auf Datenübermittlungen an die Vereinigten Staaten wurde der entsprechende Angemessenheitsbeschluss „Privacy Shield“ im Juli 2020 vom EuGH für ungültig erklärt. Folglich können personenbezogene Daten derzeit nur dann in die Vereinigten Staaten übermittelt werden, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche oder sein Auftragsverarbeiter angemessene Garantien vorgesehen hat und die betroffenen Personen über durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe verfügen.

Diese Garantien können insbesondere durch die von der Europäischen Kommission oder einer Aufsichtsbehörde angenommenen und von der Kommission genehmigten Standardvertragsschutzklauseln gewährleistet werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Europäische Kommission mit Beschluss vom 4. Juni 2021 eine neue Fassung der Standardvertragsklauseln verabschiedet hat.

Diese neuen Standardvertragsklauseln enthalten einen Block allgemeiner Bestimmungen mit verschiedenen Modulen, die auf die unterschiedlichen Szenarien des internationalen Datentransfers zugeschnitten sind. Daher müssen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter zusätzlich zu den allgemeinen Bestimmungen das für ihre Situation zutreffende Modul aus den folgenden vier Modulen auswählen:

– Modul eins: Datenübermittlung von Controller zu Controller

– Modul zwei: Datenübermittlung von Controller zu Processor

– Modul drei: Übermittlung von Processor zu Processor

– Modul vier: Übermittlung von Processor zu Controller

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Schrems II entschieden hat, dass Standarddatenschutzklauseln an sich nicht ausreichen , um das von der europäischen Verordnung geforderte Schutzniveau zu gewährleisten, da “es dem vertraglichen Charakter der Standarddatenschutzklauseln innewohnt, dass sie für die Behörden von Drittländern nicht verbindlich sind“, so dass “es erforderlich sein kann, die in diesen Standarddatenschutzklauseln enthaltenen Garantien zu ergänzen“.

Daraus folgt, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche oder sein Auftragsverarbeiter zusätzlich zur Annahme von Standarddatenschutzklauseln im Einzelfall prüfen muss, ob das Recht des Bestimmungsdrittlandes im Lichte des Unionsrechts angemessenen Schutz im Hinblick auf die auf Grundlage der Standarddatenschutzklauseln übermittelten personenbezogenen Daten gewährleistet, wobei erforderlichenfalls zusätzliche Garantien, zu den von diesen Klauseln gebotenen, vorzusehen sind.

Vor diesem Hintergrund und um private und öffentlich-rechtliche Akteure bei dieser Prüfung der Datenschutzgesetzgebung oder -praxis des Drittlandes zu unterstützen, hat der Europäische Datenschutzausschuss (eine Gruppe, in der alle europäischen Aufsichtsbehörden zusammengeschlossen sind) vor kurzem eine neue Fassung seiner Empfehlungen für Maßnahmen zur Ergänzung der Übermittlungsinstrumente angenommen, um die Einhaltung des EU-Schutzniveaus personenbezogener Daten sicherzustellen (https://edpb.europa.eu/system/files/2021-06/edpb_recommendations_202001vo.2.0_supplementarymeasurestransferstools_en.pdf) .

In seinem Urteil in der Rechtssache Schrems hatte der EuGH nämlich entschieden, dass es im Falle des Rückgriffs auf alternative Instrumente zu einem Angemessenheitsbeschluss für die Übermittlung von Daten in Länder außerhalb der Europäischen Union Sache der für die Verarbeitung Verantwortlichen oder der Auftragsverarbeiter ist, die als Exporteure tätig sind, im Einzelfall und gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Importeur im Drittland zu prüfen, ob die Rechtsvorschriften oder Praktiken des Drittlandes die Wirksamkeit der angemessenen Garantien beeinträchtigen, die in den Übermittlungsinstrumenten des Artikels 46 DSGVO enthalten sind.

Somit sollen die Empfehlungen des EDSB den Datenexporteuren Instrumente an die Hand geben, die sie bei der komplexen Aufgabe unterstützen, Drittländer zu beurteilen und gegebenenfalls geeignete zusätzliche Maßnahmen zu ermitteln.

Bereits vor Veröffentlichung dieser Empfehlungen, haben verschiedene europäische Aufsichtsbehörden damit begonnen, die Einhaltung der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil in der Rechtssache Schrems II dargelegten Grundsätze durch die Betreiber zu kontrollieren.

In diesem Zusammenhang ist das koordinierte Vorgehen der verschiedenen deutschen Aufsichtsbehörden hervorzuheben, die einen gemeinsamen Fragebogen erarbeitet haben, der ab dem 1. Juni 2021 an verschiedene Unternehmen versandt wurde, um deren Einhaltung der europäischen Vorschriften zur Übermittlung personenbezogener Daten in Länder außerhalb der Europäischen Union zu überprüfen und insbesondere sicherzustellen, dass die Unternehmen bei Übermittlungen, die auf der Grundlage von Standardvertragsklauseln erfolgen, dafür Sorge getragen haben, gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen zu treffen.

Die verschiedenen Fragebögen sind unter dem folgenden Link frei verfügbar: https://www.lda.bayern.de/de/thema_schrems2_pruefung.html und zeigen die Punkte auf, die im Falle eines internationalen Datentransfers zu beachten sind und bieten einen sehr nützlichen Rahmen zum Nachdenken.

Unsere Empfehlung:

Unabhängig davon, ob Sie im öffentlich-rechtlichen Bereich oder in der privaten Wirtschaft tätig sind, ob Sie einer Unternehmensgruppe angehören oder nicht, raten wir Ihnen zunächst zu ermitteln welche Tools und Datenverarbeitungen die Übermittlung von Daten außerhalb der Europäischen Union mit sich führen.

Als zweiten Schritt sollten Sie prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage eine solche Übermittlung stattfindet. Gegebenenfalls müssen die Rechtsinstrumente aktualisiert oder gar übernommen werden.

Vergewissern Sie sich als Nächstes, dass die Gesetze oder Gebräuche des Landes, an das die Daten übermittelt werden, die Wirksamkeit der in den Rechtsinstrumenten vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht in Frage stellen, und erwägen Sie gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen, um jedes Risiko zu vermeiden.

Das gesamte GGV-Team unterstützt Sie jederzeit gerne bei der Umsetzung dieser Empfehlungen und beantwortet alle Ihre Fragen!

INSOLVENZRECHT - Automatische Aufhebung der Ausschlussfrist bei Nichtvorlage der Liste der angemeldeten Forderungen durch den Schuldner

Ein Schuldner, der einem Insolvenzverfahren unterliegt, muss gemäß Artikel L.622-26 des Handelsgesetzbuchs eine Liste seiner Gläubiger erstellen. Die Gläubiger müssen ihre Forderungen innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses anmelden. Tun sie dies nicht, können ihre Ansprüche gegenüber dem Verfahren nicht durchgesetzt werden und erloschen sein. Um eine solche Sanktion zu vermeiden, kann der Gläubiger vor dem Insolvenzrichter einen Antrag auf Aufhebung der Ausschlussfrist stellen, indem er entweder nachweist, dass der Verzug nicht auf sein Verschulden zurückzuführen ist oder dass der Verzug darauf beruht, dass der Schuldner es unterlassen hat, ihn in der in Artikel L.622-6 des Handelsgesetzbuchs vorgesehenen Liste einzutragen. In diesem Fall hat das Kassationsgericht den Begriff „Unterlassung” präzisiert und die Position des Gläubigers gestärkt, indem es entschied, dass der Gläubiger nicht verpflichtet ist, einen Kausalzusammenhang zwischen dieser Unterlassung und der Verspätung seiner Forderungserklärung herzustellen.

Kassationsgericht 16. Juni 2021, Nr. 19-17.186

In diesem Fall hatte das Berufungsgericht Paris (CA Paris, 28. März 2019, Nr. 18/02767) in einem Urteil vom 15. Juni 2015 den Plan gebilligt, die Vermögenswerte der Gesellschaft DECS zugunsten einer natürlichen Person mit der Möglichkeit der Substitution an die Gesellschaft SPIC zu verkaufen.

Gegen die SPIC wurde die Gesamtvollstreckung angeordnet und sie wurde in ein gerichtliches Liquidationsverfahren versetzt. Da das Unternehmen den Verkaufsplan nicht umgesetzt hatte, wurde dessen Auflösung verkündet, und der Insolvenzverwalter von DECS stellte beim Insolvenzrichter einen Antrag auf Aufhebung der Frist, um befugt zu sein, die Forderung zu deklarieren, die sich aus dem Verlust ergibt, der durch die Nichtumsetzung des Verkaufsplans durch SPIC entstanden ist.

Die Gesellschafter der SPIC hatten die Liste der Forderungen jedoch nicht bei dem Sequester eingereicht. Der Insolvenzverwalter von DECS war daher nicht in der Lage, seine Forderung innerhalb der gesetzten Frist anzumelden.

In diesem Fall hatte das Kassationsgericht die Frage zu beantworten, ob ein Gläubiger eine Aufhebung der Ausschlussfrist allein unter der Bedingung erwirken kann, dass er in der Gläubigerliste nicht aufgeführt war oder dass diese Liste vom Schuldner nie eingereicht wurde.

Vor dem Gesetz vom 26. Juli 2005 sah der Artikel L. 621-46 des Handelsgesetzbuchs vor, dass der Gläubiger nachweisen musste, dass er den Verzug nicht zu verschulden hatte, um eine Aufhebung der Zwangsvollstreckung zu bekommen. Diese strenge Position des Gesetzgebers wurde auch vom Kassationsgericht übernommen (Com. 8. Juni 2010, Nr. 09-15.769). Eine erste Aufweichung brachte das Gesetz vom 26. Juli 2005, das dem Gläubiger die Möglichkeit gibt, die Ausschlussfrist zu beantragen, wenn der Schuldner es freiwillig unterlässt, ihn in der Gläubigerliste einzutragen.

Die Verordnung vom 12. März 2014 hat diese Lockerung noch verstärkt indem das Adjektiv „freiwillig” gestrichen wurde, da eine einfache Unterlassung des Gläubigers das Recht gibt, eine Aufhebung der Ausschlussfrist zu verlangen.

Das Kassationsgericht hat eine erste Anwendung der vom Gesetzgeber 2014 eingeführten Abweichung vorgenommen. Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus Artikel L.622-26 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs, dass, wenn ein Schuldner es versäumt hat, die in Artikel L. 622-6 des Handelsgesetzbuchs vorgesehene Gläubigerliste zu erstellen oder bei der Erstellung der Liste der Schuldner einen Gläubiger nicht genannt hat, der Gläubiger, der eine Aufhebung der Ausschlussfrist beantragt, nicht nachweisen muss, dass zwischen dieser Unterlassung und der Verspätung seiner Forderungsanmeldung ein Kausalzusammenhang besteht, was einer Aufhebung der Ausschlussfrist „de jure“ gleichkommt.

Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Verordnung vom 12. März 2014, die den Gläubigerschutz stärken soll.

CORPORATE - Die Haftung der Geschäftsführung trotz erteilter Entlastung auf der Gesellschafterversammlung

Die von den Gesellschaftern beschlossene Entlastung der Geschäftsführer stellt keinen Freifahrtschein für ihre Tätigkeit der Geschäftsführung als solche dar. Ihre persönliche Haftung kann dadurch nicht begrenzt oder sogar ausgeschlossen werden.

Bei der jährlichen Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung wird der Geschäftsführung in der Regel für das abgeschlossene Geschäftsjahr Entlastung (der sog. „Quitus“) erteilt. Dadurch wird nachträglich die Zustimmung zur Tätigkeit der Geschäftsführung zum Ausdruck gebracht, sodass sich die Frage stellt, welche juristischen Folgen dies mit sich bringt und inwiefern dabei die Haftung des Geschäftsführers ausgeschlossen werden kann.

Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer strafrechtlich, wie auch zivilrechtlich gegenüber der Gesellschaft selbst, den Gesellschaftern persönlich..

Der französische Kassationshof hatte hierzu in seinem Urteil vom 27. Mai 2021 die klassische Frage über die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses des Geschäftsführers einer französischen Grundstücksverwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts (kurz GbR) zu entscheiden.

In dem vorliegenden Fall klagte die GbR gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen einer mangelhaften Geschäftsführung durch den Verkauf einer Immobilie, angeblich unter Wert. Das Berufungsgericht hatte dem vorliegend geltend gemachten Anspruch insoweit stattgegeben und voll zugesprochen. Der französische Kassationshof weist ebenfalls die von dem Geschäftsführer eingelegte Revision mit der Begründung ab, die Haftung für eine mangelhafte Geschäftsführung könne nicht durch einen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen werden. Durch die von den Gesellschaftern beschlossene Entlastung könne sich der Geschäftsführer nicht für Fehler in seiner Geschäftsführung freisprechen.

Jedoch können formelle Fehler der Gesellschafterbeschlüsse durch die Erteilung der Entlastung der Geschäftsführung geheilt werden. Dies betrifft beispielsweise eine fehlerhafte Ladung zur Gesellschafterversammlung, die später nicht mehr angefochten werden kann, wenn der Gesellschafter zuvor bedingungslos Entlastung erteilt hat.

Im Gegensatz dazu erlangt die Erteilung des „Quitus“ bei der Abberufung des Geschäftsführers wegen einer fehler- bzw. mangelhaften Geschäftsführung wieder an Bedeutung, da in diesem Fall nach der französischen Rechtsprechung kein berechtigtes Interesse mehr besteht.

Der französische Kassationshof ruft deshalb nochmal das allgemeingültige Prinzip in Erinnerung, dass die Geschäftsführung auch trotz einer erteilten Entlastung haftbar gemacht werden kann. Deshalb kommt der Entlastung der Geschäftsführung vor allem ein ideeller Wert zu und wirkt sich nur begrenzt auf eine mögliche Enthaftung des Geschäftsführers aus.