Deutsch-Französischer Informationsbrief | Dezember 2020

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.

News Frankreich

  1. WIRTSCHAFTSRECHT - Eine Rückrufaktion reicht nicht aus, um das Vorhandensein eines versteckten Mangels im Sinne des französischen Zivilrechts zu beweisen.
  2. WIRTSCHAFTSRECHT - Neue Perspektiven für die Cannabisindustrie in Frankreich
  3. ARBEITSRECHT - Einige Neuheiten bezüglich von Maßnahmen für Unternehmen in der Covid-19-Epidemie
  4. DATENSCHUTZRECHT - EuGH erklärt „Privacy Shield“ für ungültig
  5. COMPLIANCE – Entlassung wegen schwerem Fehlverhalten : Arbeitnehmerin nimmt Geschenke eines Lieferanten an
  6. IMMOBILIENRECHT - Der Mieter kann nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr auf den Status von gewerblichen Mietverträgen verzichten
  7. GESELLSCHAFTSRECHT - Verletzte Minderheitengesellschafter: Welche Rechtsmittel?
  8. STEUERRECHT - Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung auch bei strikter Befolgung der Bedingungen einer Verwaltungsvorschrift

News Frankreich

WIRTSCHAFTSRECHT - Eine Rückrufaktion reicht nicht aus, um das Vorhandensein eines versteckten Mangels im Sinne des französischen Zivilrechts zu beweisen.

Für den Verbraucherverband CLCV reichte eine Rückrufaktion eines Motorradherstellers aus, um das Vorhandensein eines versteckten Mangels bei einem seiner Motorradmodelle nachzuweisen. Die Klage von CLCV wurde vom Gericht von Versailles in einer Entscheidung vom 4. Juni 2020 abgewiesen.

Der Verband CLCV verlangte Ersatz für den individuellen wirtschaftlichen Schaden, den eine Gruppe von Verbrauchern erlitten hatte, die ein Motorradmodell gekauft hatten, das Gegenstand einer Rückrufaktion war. Der angebliche Schaden hing insbesondere mit der Ausfallzeit des Fahrzeugs zusammen.

Das Argument von CLCV stützte sich auf das angebliche Vorhandensein eines versteckten Mangels, den der Hersteller in seinen Schreiben zur Ankündigung der Rückrufaktion eingeräumt hätte. Das Gericht von Versailles vertrat die Auffassung, dass der Hersteller lediglich seiner Verpflichtung in Bezug auf die Produktsicherheit gemäß dem Verbrauchergesetzbuch im Rahmen von Präventivmaßnahmen nachkam. Insbesondere gab CLCV keine technischen Erklärungen zur Natur des angeblichen Mangels ab, und es gab auch keinen Unfall in diesem Zusammenhang.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass CLCV eine Entschädigung für die Schäden im Zusammenhang mit der Stilllegung der Motorräder auf einer anderen Grundlage als versteckten Mängeln hätte erhalten können. Diese erstinstanzliche Entscheidung bleibt jedoch für die Hersteller insofern beruhigend, als die Organisation einer Rückrufaktion mangels anderer Elemente keine Anerkennung des Vorhandenseins eines versteckten Mangels darstellt.

Daher ist es besser, eine Rückrufaktion zu organisieren, bevor ein Zwischenfall eintritt, als die potenziell schwerwiegenderen Folgen einer Beurteilung als versteckter Mangel zu erleiden, einschließlich des Rechts des Käufers, die Stornierung des Verkaufs zu verlangen.

WIRTSCHAFTSRECHT - Neue Perspektiven für die Cannabisindustrie in Frankreich

1. CBD: der Europäische Gerichtshof (EuGH) stuft Frankreichs Verbot von Handel mit CBD als illegal ein

Unter den EU-Staaten ist Deutschland der Vorreiter in der Cannabis-Industrie: in keinem anderen Mitgliedsstaat setzen so viele junge Start-ups auf diesen neuen und potenziell besonders lukrativen Sektor wie dort – laut EY, flossen allein im Jahr 2019 37 Millionen Investitionsgelder an deutsche neue Cannabis Start-Ups, welche CBD-Verbraucherprodukte, z. B. Cremes, Öle zum Inhalieren und Rauchen, sowie Medizinprodukte, produzieren und vertreiben.

Die letzten Entwicklungen in Frankreich dürften deutsche Unternehmen freudig stimmen: in seinem Urteil in Case C-663/18 (Kanavape) vom 19.11.2020 stuft das höchste Gericht der EU jetzt Frankreichs Verbot vom Handel mit CBD und CBD-Produkten als nach Europäischem Recht illegal ein.

Der EuGH wurde von dem Berufungsgericht von Aix-en-Provence zur Frage der Vereinbarkeit von Artikel 1 des franz. Erlasses vom 22.08;1990 mit EU-Recht hinzugezogen. Nach diesem franz. Gesetz sind Anbau, Einfuhr und die industrielle und kommerzielle Nutzung von Hanf auf die einzigen Fasern und Samen der Pflanze beschränkt. In dem Verfahren vor dem Gericht von Aix geht es um die Einfuhr und das Inverkehrbringen von E-Flüssigkeit für elektronische Zigaretten , die Cannabidiol (CBD)-Öl enthalten, welches aus der ganzen Hanfpflanze, und nicht nur den Fasern und Samen, gewonnen wird. Genauso wie THC, ist CBD ein Molekül, welches aus der Hanfpflanze gewonnen wird.  Anders als THC, konnte dem CBD aber bislang keine betäubende Eigenschaft wie dem THC nachgewiesen werden.

In seinem Urteil vom 19.11.2020 äußert sich der EuGH nun das erste Mal zur Legalität des Vertriebs von CBD und CBD-Produkten in der EU allgemein, und in Frankreich im Besonderen. Das Urteil liefert eine verbindliche Auslegung des EU-Rechts für die EU-Mitgliedsstaaten und EU-Institutionen und ist nunmehr richtungsweisend für die noch junge CBD-Industrie in Europa, deren Entwicklung durch die undurchsichtigen und heterogenen Regelungen in den Mitgliedstaaten bis jetzt erheblich behindert wurde.

Laut EuGH ist CBD nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und auf der Grundlage der geltenden internationalen Abkommen nicht als Betäubungsmittel einzustufen sodass die EU- Bestimmungen über den freien Warenverkehr unter den Mitgliedstaaten auch auf CBD anzuwenden sind: ein generelles Handelsverbot mit CBD-Produkten in einem Mitgliedsstaat stehe demnach im Widerspruch mit geltendem EU-Recht.

Dennoch betonte der EuGH auch, dass ein solches Verbot laut Vorsorgeprinzip sehr wohl zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sein könnte, sofern das Verbot absolut notwendig und verhältnismäßig sei. Der EuGH stellte jedoch fest, dass Frankreichs aktuelles Verbot von CBD vermutlich den Notwendig- und Verhältnismäßigkeitstest nicht bestehen wird, da das französische Gesetz bis dato „nur“ natürliches CBD verbietet wohl aber synthetisches CBD erlaubt, was dem natürlichen Stoff allerdings chemisch sehr ähnlich ist.

Es ist zu erwarten, dass es in Frankreich in naher Zukunft zu einer verhältnismäßigeren und auf einem tatsächlichen Gesundheitsrisiko-basierenden Regulierung von CBD Produkten kommen wird. Für deutsche und französische Unternehmer im Bereich CBD heißt das vermutlich die Öffnung eines neuen Marktes uns das Navigieren neuer Auflagen, z. B. bezüglich der Anforderungen der Vermarktung.

Tatsächlich haben sich die französischen Behörden dazu bereits am 24.11.2020 geäußert, indem der interministerieller Auftrag zur Bekämpfung von Drogen und Suchtverhalten („MILDECA“) in einer offiziellen Stellungnahme das Urteil zur Kenntnis genommen hat. Die Stellungnahme unterstreicht, dass das geltende Gesetz, will heißen: das Verbot von CBD, bis auf weiteres in Kraft bleibt. Dennoch hat MILDECA klar zum Ausdruck gebracht, dass die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Ansatzes für CBD-Produkte wünschenswert wäre. In dieser Hinsicht setzen sie ihren Austausch mit den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission fort aber es ist zu erwarten, dass sich der französische Markt in naher Zukunft den CBD-Produkten öffnen wird.

2. Stand des Medizinischen Cannabis in Frankreich

Während in 22 EU Staaten, und seit Januar 2017 auch in Deutschland, medizinisches Cannabis für schwerkranke Patienten bereits auf Rezept erhältlich ist, tat sich Frankreich bislang selbst mit der Idee einer Legalisierung schwer.

In Frankreich gilt Cannabis als Betäubungsmittel, dessen Besitz und Gebrauch verboten ist (Gesetz Nr. 70-1320 vom 31.12.1970). Das strikte Verbot erhielt eine erste „Aufweichung“ 2013, durch Erlass Nr. 2013-473 zur Änderung der Bestimmungen des Artikels R. 5132-86 des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen bezüglich des Verbots von Transaktionen mit Cannabis oder seinen Derivaten. Seither gibt es bereits zwei Medikamente auf der Basis von Cannabis, welche eine Marktzulassung in Frankreich besitzen – dennoch werden diese kaum oder gar nicht vertrieben: SATIVEX (mäßiger bis schwerer Spastizität im Zusammenhang mit Multipler Sklerose als Zweitlinienbehandlung bei erwachsenen Patienten) und MARINOL (ein synthetischer Cannabisstoff  neuropathische Schmerzen nach Versagen aller Behandlungen, Übelkeit und Erbrechen bei Krebs-Chemotherapien und Anorexie bei HIV-Patienten).

2021 soll sich der Markt für medizinische Cannabispräparate nun weiter öffnen: entsprechend den Empfehlungen der französischen ANSM (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten) vom 11.07.2019, erließ die Regierung am 7.10.2020, Verordnung Nr. 2020-1230 über das Experiment mit der medizinischen Verwendung von Cannabis, welches die Grundlage zum Testprogramm für Cannabismedikamente darstellt. Diese Verordnung wurde durch Verordnung vom 16.10.2020 zur Festlegung der Spezifikationen von Arzneimitteln auf Cannabisbasis, die während des Experiments verwendet werden ergänzt.

Das Cannabis Pilotprogramm soll von der ersten Verschreibung eines Medikaments zwei Jahre dauern und ungefähr 3000 Patienten mit besonders schweren Pathologien kostenfrei Zugang zu Cannabis Medikamenten geben. Das erste Rezept soll spätestens Ende März 2021 verschrieben werden. Die Medikamente können nur bei den folgenden limitierten, besonders schweren Indikationen verschrieben werden: neuropathischer Schmerz, der therapierefraktär ist (medikamentös oder nichtmedikamentös) ; bestimmte Formen der arzneimittelresistenten Epilepsie; bestimmte rebellische Symptome in der Onkologie im Zusammenhang mit Krebs oder Krebsbehandlung; palliative (End-of-Life) Situationen; schmerzhafte Spastizität (übertriebene Reflexmuskelkontraktion) bei Multipler Sklerose oder anderen Erkrankungen des Zentralnervensystems.[1]

Die Cannabis-Medikamente können in Form von trockenen Blüten, Öl oder Kapseln verschrieben werden.[2] Hersteller von Medizinal-Cannabis hatten bis zum 24.11.2020 zeit, sich als offizieller Zulieferer dieses Pilotprogramms zu bewerben.

Sollte das Pilotprogramm erfolgreich sein, könnte dieser Schritt für die Öffnung des französischen Markts richtungsweisend sein.

[1] https://www.service-public.fr/particuliers/actualites/A14362

[2] https://www.ansm.sante.fr/Dossiers/Cannabis-a-usage-medical/Cadre-de-l-experimentation-du-cannabis-a-usage-medical/(offset)/2

ARBEITSRECHT - Einige Neuheiten bezüglich von Maßnahmen für Unternehmen in der Covid-19-Epidemie

Nachfolgend behandeln wir kurz das nationale Sicherheitskonzept für Unternehmen, die Telearbeit und die Kurzarbeit.

 Das nationale Protokoll zur Gewährleistung der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer im Unternehmen in der Covid-19-Epidemie, das auf der Website des Ministeriums für Arbeit, Beschäftigung und Integration veröffentlich wurde, wurde am 13.11.2020 aktualisiert. Die neue Fassung enthält wie die vorherigen Grundsätze für die Regeln, die der Arbeitgeber in Abstimmung mit den Personalvertretern festlegen muss und für deren Beachtung durch die Arbeitnehmer er zur Vorbeugung von Risiken für ihre Gesundheit sorgen muss. Die wichtigsten Neuerungen betreffen die Organisation von Treffen und die Telearbeit.

Die aktuelle Fassung des nationalen Protokolls sieht vor, dass Telefon- und Videokonferenzen künftig die Regel und physische Treffen die Ausnahme sein sollen.

Das nationale Protokoll sieht bezüglich von Telearbeit vor, dass „die Telearbeit die Regel für alle Aktivitäten sein muss, für die das möglich ist. Die Zeit in Telearbeit wird für die Arbeitnehmer auf 100 % erhöht, die alle Aufgaben auf Distanz wahrnehmen können. In anderen Fällen muss es die Organisation der Arbeit ermöglichen, dass Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz reduziert werden, die Zeiten für den Beginn und das Ende des Arbeitstages so organisiert werden, dass die Arbeitnehmer möglichst nicht zu Stoßzeiten im Berufsverkehr sind und dass Arbeitszeiten im Unternehmen so gestaltet werden, dass Kontakte reduziert werden.“

Das Arbeitsministerium rät außerdem in den Fragen-Antworten zur Telearbeit vom 17.11.2020 dazu, Telearbeit auf Teilzeitbasis für die Arbeitnehmer einzuführen, die einen Teil ihrer Aufgaben auf Distanz wahrnehmen können. Das Ministerium hat auch daran erinnert, dass Telearbeit in der aktuellen Situation eine einfache Anpassung des Arbeitsplatzes gemäß Artikel L. 1222-11 des Arbeitsgesetzbuches ist, für die das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht notwendig ist.

Wurde weder eine Betriebsvereinbarung über die Telearbeit abgeschlossen noch eine Charta zu diesem Thema eingeführt, aus der sich die Kriterien für Arbeitsplätze in Telearbeit ergeben, muss der Arbeitgeber deshalb unter Einbeziehung der Personalvertreter und der betroffenen Arbeitnehmer die Arbeitsplätze und die Aktivitäten identifizieren, die für Telearbeit und für Telearbeit auf Teilzeitbasis in Frage kommen.

Die Regierung hat seit März 2020 befristete Ausnahmeregelungen für die Kurzarbeit geschaffen. Diese Regelungen sind grundsätzlich bis zum 31.12.2020 befristet.

Die Regierung wurde jedoch mit Gesetz vom 14.11.2020 zur Verlängerung des sanitären Notstands ermächtigt, bis zum 16.02.2021 Verordnungen zu bestimmten Themen und insbesondere im Bereich Kurzarbeit zu erlassen. Die Regierung kann deshalb die derzeit anwendbaren Ausnahmeregelungen für die Kurzarbeit bis zum 16.02.2021 verlängern.

Sollte dies nicht der Fall sein, dann wird der Stundensatz für die Erstattung von Kurzarbeitsgeld an den Arbeitgeber, wie derzeit von der Verordnung Nr. 2020-1319 vom 30.10.2020 vorgesehen, ab dem 01.01.2021 von 70% auf 36 % sinken. Der Stundensatz für das Kurzarbeitsgeld für die Arbeitnehmer wird jedoch weiterhin 70 % des Bruttoreferenzgehalts betragen.

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber auch auf die sogenannte Langzeit-Kurzarbeit zurückgreifen kann, die insbesondere durch eine Betriebsvereinbarung oder durch eine Arbeitgeberentscheidung auf der Grundlage einer allgemeinen Branchenvereinbarung eingeführt werden kann. Die entsprechenden Regelungen sind auf Kollektivvereinbarungen und Arbeitgeberentscheidungen anwendbar, für die spätestens am 30.06.2020 ein Antrag auf Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde gestellt wurde.

DATENSCHUTZRECHT - EuGH erklärt „Privacy Shield“ für ungültig

Mit Urteil vom 16.07.2020 (Rechtssache C-311/18 „Schrems II“) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)  den von der Europäischen Kommission gefassten   Angemessenheits-beschluss („Privacy Shield“) in Bezug auf die USA für ungültig erklärt. Dieser gefasste Beschluss  ermöglichte es einer Vielzahl von Wirtschaftsakteuren personenbezogene Daten aus dem  Europäischen in die USA zu  übermitteln..

Einleitend sei daran erinnert, dass ein für die Verarbeitung Verantwortlicher personenbezogene Daten nur dann an Drittländer  außerhalb des Europäischen Wirtschaftraum übermitteln darf, wenn in diesem Drittland ein angemessener Schutz der Privatsphäre sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten der von der Verarbeitung betroffenen natürlichen Personen in Bezug auf der Daten gewährleistet wird.

Ein solch angemessenes Schutzniveau wird angenommen, wenn die Europäische Kommission durch Entscheidung festgestellt hat, dass das Drittland, ein Gebiet oder ein oder mehrere spezifische Branchen in diesem Drittland oder die betreffende internationale Organisation ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten.

Die Kommission hat bereits mehrere solcher Angemessenheitsbeschlüsse gefasst und dabei insbesondere festgestellt, dass die Schweiz, Argentinien, Guernsey, die Isle of Man, Neuseeland, Jersey, die Färöer-Inseln, Andorra, Israel, Uruguay, Kanada und Japan ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleisten.

In Bezug auf die  USA fasste die Europäische Kommission 2016 einen Angemessenheitsbeschluss, die es aus Europa Daten importierenden US Unternehmen, ermöglichte, sich freiwillig den verbindlichen Regeln des sogenannten „Privacy Shield“ zu unterwerfen. Dieses Abkommen wurde im gegenseitigen Einvernehmen zwischen der Europäischen Kommission und der amerikanischen Regierung ausgehandelt.

In Ermangelung eines solchen gefassten Angemessenheitsbeschlusses, dürfen personenbezogene Daten nur dann in Länder außerhalb der Europäischen Union übermittelt werden, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche oder sein Auftragsverarbeiter Garantien vorgesehen haben, die ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten. Ein solch angemessenes Schutzniveau kann insbesondere unter der Zuhilfenahme der folgenden Rechtsinstrumente garantiert  werden :

  • Verbindliche interne Datenschutzvorschriften (Binding Corporate Rules oder BCR genannt, die zur Schaffung eines einheitlichen Datenschutzsystems und Datenschutz-standards innerhalb einer gesamten Unternehmensgruppe dienen),
  • Standdatenschutzklauseln, die von der Europäischen Kommission oder einer Aufsichtsbehörde vereinbart und von der Kommission genehmigt wurden,
  • durch einen genehmigten Verhaltenskodex oder eine genehmigte Zertifizierung.

Ausgangspunkt der kommentierten Entscheidung, ist die Einlegung einer Beschwerde des österreichischen Rechtsanwalts Max Schrems bei der irischen Datenschutzbehörde, in der dieser die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch Facebook Irland in die USA rügte. Dabei rügte er insbesondere, dass die  USA nicht in der Lage seien für die dort gespeicherten personenbezogenen Daten einen ausreichenden Schutz vor den Überwachungstätigkeiten der US Behörden zu gewährleisten.

Der EuGH hatte  die “Safe Harbor”-Vereinbarung der Europäischen Kommission bereits 2015 für ungültig erklärt befasste (Rechtssache C‑362/14 „Schrems I“).

Der von der Europäischen Kommission gefasste Angemessenheitsbeschluss „Privacy Shield“, das Nachfolgeabkommen  der Safe-Harbor-Vereinbarung, wurde dem EuGH im Rahmen eines erneuten Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt und ebenfalls von diesem für ungültig erklärt (Rechtssache C-311/18 „Schrems II“).

In seinem  Urteil  vom 16.07.2020 entschied der EuGH, dass es sich bei dem gefassten Angemessenheitsbeschluss „Privacy Shield“ um keine gültige Rechtsgrundlage für die Übermittlung  personenbezogener Daten  in die USA handle, da er kein ausreichendes Schutzniveau für die betroffenen Personen gewährleiste. In diesem Zusammenhang stellte der EuGH insbesondere fest, dass den US-Behörden basierend auf den amerikanischen  Rechtsvorschriften Zugriffe  auf die von der EU in die USA übermittelten Daten gestattet werden. Die daraus resultierende Verwendung der Daten ermöglicht einen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen, deren Daten  unverhältnismäßigen Zugriffen der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt  sind, ohne dass diese dabei mit wirksamen Rechtsbehelfen dagegen vorgehen können.

Für die Praxis hat das Urteil zur Folge, dass die Unternehmen sich bei der Übermittlung von Daten in die USA nicht mehr auf das Privacy Shield berufen können. Eine alternative Lösung könnte darin bestehen, dass die  Unternehmen einvernehmlich sogenannte „Standard-datenschutzklauseln“ vereinbaren, die im Wesentlichen ein ausreichendes Schutzniveau gewährleisten.

In seinem Urteil entschied der EuGH jedoch, dass diese Standarddatenschutzklauseln zwar weiterhin gültig seien, jedoch alleine nicht mehr ausreichen, um das von den europäischen Vorschriften vorausgesetzte ausreichende Schutzniveau zu gewährleisten. Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass  „Standarddatenschutzklauseln aufgrund ihres Vertragscharakters naturgemäß keine drittstaatlichen Behörden binden können“, so dass „es sich als notwendig erweisen kann, die in den Standarddatenschutzklauseln enthaltenen Garantien zu ergänzen.“

Folglich obliegt es künftig vor allem dem „Verantwortlichen bzw. seinem Auftragsverarbeiter, in jedem Einzelfall – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Empfänger der Übermittlung – zu prüfen, ob das Recht des Bestimmungsdrittlands nach Maßgabe des Unionsrechts einen angemessenen Schutz der auf der Grundlage von Standarddatenschutzklauseln übermittelten personenbezogenen Daten gewährleistet, und erforderlichenfalls mehr Garantien als die durch diese Klauseln gebotenen zu gewähren.“

In seinen jüngsten Empfehlungen, die bis Mitte Dezember 2020 in eine öffentliche Konsultation gegeben wurden, bietet der Europäische Datenschutzausschuss den für die Verarbeitung Verantwortlichen und deren Auftragsverarbeitern    wichtige Hinweise dazu, welche Gesichtspunkte sie im Rahmen der von Ihnen vorzunehmenden Prüfung der Rechtslage im Drittland berücksichtigen müssen

Im Anschluss an die Veröffentlichung der Empfehlungen des Europäischen Datenschutzausschusses, veröffentlichte die Europäische Kommission einen Entwurf überarbeiteter Standarddatenschutzklauseln veröffentlicht, deren öffentliche Konsultation noch bis zum 10. Dezember 2020 läuft.

Neben den Standarddatenschutzklauseln mit einer im Einzelfall erforderlichen Ergänzung mit zusätzlichen Garantieren, bietet die DSGVO  weitere Transfermechanismen für Datenübermittlungen in Drittländer. Unter anderem kommen sogenannte Binding Corporate Rules (BCR) in Betracht sowie in bestimmten Fällen eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen in die Datenübermittlungen. Betreffend der BCR ist anzumerken, dass es sich dabei um verbindliche interne Datenschutzvorschriften zwischen verschiedenen Unternehmen einer Unternehmensgruppe  im Sinne des Art. 46 Abs. 2 lit. b) DSGVO handelt, die ebenfalls wie die Standarddatenschutzklausen aufgrund ihres Vertragscharakters naturgemäß keine drittstaatlichen Behörden binden können. Folglich ist  bei der Zuhilfenahme von BCR zu prüfen, ob im betreffenden Drittland ein angemessenes Schutzniveau besteht. Hingegen ist bei der Zuhilfenahme von ausdrücklichen Einwilligungen der betroffenen Personen in die Datenübermittlungen, eine ergänzende Prüfung des Einzelfalls betreffend eines angemessenen Schutzniveaus theoretisch nicht notwendig. Allerdings sind solche Übermittlungen im Zusammenhang mit ausdrücklichen Einwilligungen in der Praxis nur schwer umsetzbar, da die betroffene Person vor Abgabe ihrer Einwilligung über die Risiken einer solchen Übermittlung informiert werden muss. Insbesondere ist sie über das Nichtvorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses und das Fehlen angemessener Garantieren sowie die daraus resultierenden Risiken  zu informieren Abschließend lässt sich somit feststellen, dass eine Überprüfung des geforderten Schutzniveaus de facto unumgänglich  ist.

GGV empfiehlt: Überprüfen Sie die  Vertragsverhältnisse mit Ihren Dienstleistern und Vertragspartnern und achten Sie dabei darauf ob Datenübermittlungen in Drittländer/USA vorgesehen sind. In einem solchen Fall, gilt es zu überprüfen, ob das betreffende Drittland über ein angemessenes Schutzniveau verfügt und die Transfermechanismen, auf denen die Übermittlung beruht, entsprechend anzupassen.

COMPLIANCE – Entlassung wegen schwerem Fehlverhalten : Arbeitnehmerin nimmt Geschenke eines Lieferanten an

In seinem Urteil vom 29.05.2020 (n°18/00395) war das Berufungsgericht von Angers der Auffassung, dass Geschenke von einem Lieferanten, die von einem Mitarbeiter unter Verletzung  der internen Verhaltensrichtlinien des Unternehmens angenommen wurden, seine Entlassung wegen schwerem Fehlverhalten rechtfertigen können.   

Im konkreten Fall, hat eine im Einkauf tätige Arbeitnehmerin gegen die im  Unternehmen geltenden ethischen Verhaltensrichtlinien, namentlich der Verhaltenskodex und die Richtlinie für Geschenke, verstoßen. Trotz nachgewiesener Kenntnis von diesen Richtlinien, verstieß  sie gegen diese, indem sie Geschenke in Form von zwei iPad mini von einem Lieferanten des Unternehmers annahm. Anstatt die beiden I-Pads an die Anschrift des Unternehmens liefern zu lassen,  verlangte sie  ausdrücklich die Lieferung zu ihr nach Hause.

Nachdem dieser Vorfall dem Arbeitgeber bekannt wurde, leitete er in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Lieferanten eine interne Untersuchung ein, die die mutmaßlichen  Fakten bestätigte und, dass das  rechtzeitige Einschreiten eines Mitarbeiters des Lieferanten die Lieferung der betreffenden Geschenke an die Privatanschrift der  Arbeitnehmerin verhinderte.

Ungeachtet der Tatsache, dass letzten Endes keine Lieferung erfolgte, entließ  der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin wegen schwerem Fehlverhalten, da er der Auffassung war, dass ein solches Fehlverhalten der Arbeitnehmerin völlig inakzeptabel sei, da es gegen die innerhalb des Unternehmens und der Unternehmensgruppe geltenden internen Vorschriften (Verhaltenskodex, Richtlinien zu Geschenken, Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung, etc.) verstoße, die der Arbeitnehmerin in vollem Umfang bekannt waren.

Das Gericht befand, dass die Entlassung der Arbeitnehmerin wegen schweren Fehlverhalten begründet sei, da die  Nichteinhaltung der ethischen Verhaltensrichtlinien des Arbeitgebers eine Verletzung der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers darstelle.

Fazit : Die Entscheidung des Berufungsgericht von Angers zeigt, dass es in der Verantwortung des Arbeitgeber liegt, die in seinem Unternehmen geltenden ethischen Verhaltensrichtlinien,  all seinen Arbeitnehmern bekannt zu machen, um im Fall einer Nichteinhaltung diese den Arbeitnehmern entgegenzusetzen und gegebenenfalls in der Lage zu sein Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen.

IMMOBILIENRECHT - Der Mieter kann nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr auf den Status von gewerblichen Mietverträgen verzichten

Der Kassationshof ändert seine Rechtsprechung, indem er entschied, dass die Parteien eines abweichenden Mietvertrags nicht vom Status der gewerblichen Mietverträgen über drei Jahre hinaus verzichten können, um dasselbe Handelsunternehmen in denselben Räumlichkeiten zu betreiben.

Bisher hatte der Kassationshof entschieden, dass der Mieter auf den Status der gewerblichen Mietverträge verzichten kann – ein Status, der seine Interessen schützt -, selbst wenn die kumulative Dauer der abweichenden Mietverträge das gesetzliche Maximum von zwei Jahren überschreitet. Die Parteien konnten somit auf unbestimmte Zeit abweichenden Mietverträge abschließen, solange der Mieter auf den Status von gewerblichen Mietverträgen verzichtete.

Seit dem Gesetz vom 18.06.2014, bekannt als das “Pinel-Gesetz”, können die Parteien Mietverträge abschließen, die innerhalb einer kumulativen Dauer von drei Jahren vom Status der gewerblichen Mietverträge abweichen. Das Pinel-Gesetz fügt hinzu, dass die Parteien nach Ablauf dieser drei Jahre keinen neuen abweichenden Mietvertrag mehr abschließen dürfen, um das gleiche Handelsunternehmen (fonds de commerce) in denselben Räumlichkeiten zu betreiben. Fraglich ist, ob der Mieter trotz dieser neuen Bestimmung noch immer auf den Status von gewerblichen Mietverträgen verzichten kann.

Im vorliegenden Fall hatten ein Vermieter und ein Mieter nacheinander zwei abweichende Mietverträge unterzeichnet, wobei der zweite Mietvertrag am 31.05.2015, d.h. nach Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes, endete. Am Ende des zweiten Mietvertrags hatten die Parteien einen neuen abweichenden Mietvertrag für ein Jahr abgeschlossen. Dieser neue Mietvertrag sah ausdrücklich vor, dass der Mieter auf den Status von gewerblichen Mietverträgen verzichtet. Am Ende dieses dritten Mietvertrags teilte der Vermieter dem Mieter mit, dass er ihn nicht verlängern wolle. Der Mieter beanspruchte dann das Recht auf den Status der gewerblichen Mietverträge. Der Vermieter beanspruchte die Rückgabe der Räumlichkeiten.

Das Berufungsgericht gab dem Antrag des Vermieters statt. Der Mieter legte beim Kassationshof Berufung ein und argumentierte, dass er sein Recht auf gewerbliches Eigentum am Ende des abweichenden Mietvertrags erworben habe, da er die Räumlichkeiten gemäß Artikel L. 145-5 C. com. mindestens drei Jahre lang gemietet habe.

Mit Urteil vom 22.10.2020 entschied der Kassationshof zugunsten des Mieters und stellte fest, dass der dritte Mietvertrag dem Artikel L. 145-5 C. com. in seiner aus dem Pinel-Gesetz abgeleiteten Fassung unterliegt. Die Parteien dürfen über die dreijährige Laufzeit hinaus keinen abweichenden Mietvertrag mehr abschließen, der vom Status der gewerblichen Mietverträge abweicht.

Nach Ablauf von drei Jahren eines abweichenden Mietvertrags unterliegen die Parteien daher dem Status der gewerblichen Mietverträge. Nach diesem Zeitraum ist jeder Verzicht der Parteien auf den Status unwirksam.

GGV Insider: Der Status der gewerblichen Mietverträge legt die Mindestlaufzeit des Mietvertrags auf neun Jahre fest. Parteien, die diese Dauer vermeiden wollen, sollten besonders auf Klauseln achten, die eine Verkürzung des Mietvertrags ermöglichen, wie z.B. die Bedingungen für die Anwendung der Kündigungsklausel, oder umfangreichere finanzielle Garantien verhandeln.

GESELLSCHAFTSRECHT - Verletzte Minderheitengesellschafter: Welche Rechtsmittel?

Das Hauptziel eines Gesellschaftsvertrages ist die Gewinnausschüttung, sodass ein Minderheitsgesellschafter dem keine Dividenden ausgezahlt werden oder bei dem sein ganzes Kapitalanteil verwässert wird, Schadensersatz vor Gericht gelten machen könnte.

Jedoch sollte prinzipiell davon ausgegangen werden, dass die Generalversammlung durch eine Mehrheit der Stimmen die Gemeinschaftsinteressen im Beschluss ausdrücken und verabschieden sollte.

Die Souveränität dieser ordnungsmäßen abgestimmten Beschlüsse wird schwierig anfechtbar sein.

Jedoch erkennen das Gesetz und die Rechtsprechung zugunsten des Minderheitsgesellschafters, die von der Begründetheit der Entscheidung nicht überzeugt sind, eine Möglichkeit vor Gericht, die Aufhebung der Abgestimmten Beschlüsse gelten zu machen.

Um eine Prüfung durchzuführen, besitzen die Minderheitsgesellschafter zwei verschiedene Mittel, die zum einen das Mehrheitsmissbrauch Verfahren ist und zum zweiten das seltenere benutzte Betrugshandlung Verfahren ist.

Mehrheitsmissbrauch  

Nach allgemeiner Rechtsprechung des Kassationsgerichts, liegt ein Mehrheitsmissbrauch vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: keine Übereinstimmung der Entscheidung mit der sozialen Interesse und absichtlich den Minderheitsgesellschafter zugunsten des Mehrheitsgesellschafters zu benachteiligend.

Die Entscheidung vom 4. November 2020 des Kassationsgerichts erläutert, dass trotz einer korrelativen Erhöhung der Vergütung von den mehrheitlichen Gesellschaftsführende Gesellschafter, die systematische Einstellung der Dividenden in die Rücklagen, keinen Mehrheitsmissbrauch darstellt. In der Tat, die Zurückstellung von Dividenden beteiligt eine gute und sorgfältige Geschäftsführung der Gesellschaft, die dieser wiederrum eine sichere und dauerhafte Rückzahlungsfähigkeit versichert.

So wird jetzt von den Richtern des Berufungsgerichtes erwartet, dass sie  genau prüfen ob die Entscheidung, die offensichtlich das soziale Interesse der Gesellschaft verletzt, nicht auch als einziges Vorbild die Interessen des Mehrheitsgesellschafters zu Lasten des Minderheitsgesellschafters begünstigt.

Betrugshandlungen der Minderheitsrechte

Eine Handlung, die dem sozialen Interesse entspricht, bedeutet nicht, dass jede Verantwortung des Mehrheitsgesellschafters entfällt.

Das Kassationsgericht hat am 30. September 2020 im Wege des Prinzips „Fraus omnia corrumpit“ entschieden, dass die zivilrechtliche Haftung des Mehrheitsgesellschafters einer Aktiengesellschaft, die eine Kapitalerhöhung abstimmen, nicht automatisch entfällt, wenn zur einzigen Begründung eine Handlung die der sozialen Interesse entspricht vorliegt.

In diesem Falle, wirft das Kassationsgericht dem Berufungsgericht vor, der Klage mangels Nachweis einer fehlenden sozial Interesse an der umstrittenen Handlung nicht stattgegeben zu haben. Vielmehr hätte das Berufungsgericht prüfen sollen, ob die Handlung, die eine Mindestbewertung der Gesellschaft und korrelativ eine Vergabe zahlreicher neuer Aktien zu Folge hatte, nicht ein Teil der Rechte des Minderheitsgesellschafters rechtswidrig entzieht indem sein Anteil im Stammkapital verwässert.

So kann eine angemessene Entscheidung, die das soziale Interesse angeht, wie zum Beispiel die Tilgung des Schuldenbetrages im Falle eines Betruges aufgehoben werden, wenn durch die Handlung die Minderheiten verdrängt werden, obwohl das Überleben der Gesellschaft nicht in Frage steht.

Der Sachverhalt ist in diesen entschiedenen Fällen entscheidend und bezieht sich auf einer Abwägung zwischen den Grundprinzipien des Fortbestandes der Gesellschaft und die der systematischen Zuweisung der Dividenden in den Rücklagen oder die Unmöglichkeit für den Minderheitsgesellschafter bei einer Kapitalerhöhung zu zeichnen. Dieser große Bezug zum Sachverhalt erschwert die Möglichkeit im Voraus zu erkennen, wie die Rechtsbeschwerde ausgehen wird.

Im Rahmen der Aufnahme von neuen Investoren, sollten die Interessen der „kleinen Gesellschaftern“  Beachtet werden. Schätzen sie sich als geschädigt, könnten sie versuchen die Gültigkeit der Mittelbeschaffung in Frage zu stellen.

STEUERRECHT - Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung auch bei strikter Befolgung der Bedingungen einer Verwaltungsvorschrift

Mit Urteil vom 28. Oktober 2020 (Nr. 428048) hat der Conseil d’État (das höchste Finanzgericht) entschieden, dass eine wörtliche Anwendung einer Verwaltungsvorschrift eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung darstellt, wenn feststeht, dass diese künstliche Gestaltung ausschließlich die Vermeidung von Steuern bezweckt.

Im Streitfall ging es um die Inanspruchnahme der günstigen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen durch ausscheidende Organe von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die u.a voraussetzt, dass der Verkäufer keine Stimm- oder finanziellen Rechte an der übernehmenden Gesellschaft hält. Als Billigkeitsregelung sah ein Verwaltungserlass aus dem Jahr 2007 vor, dass eine Beteiligungsquote von bis zu 1% an der erwerbenden Gesellschaft unbeachtlich  war.

Ein Steuerzahler (X) war an zwei Gesellschaften A und B beteiligt und beabsichtigte einen Verkauf seiner A-Anteile an B. Am Tag vor dem Verkauf reduzierte er seine Beteiligung an B auf weniger als 1% und beanspruchte die Steuerbegünstigung. Die Finanzverwaltung hielt diese Vorgehensweise mit der Begründung für rechtsmissbräuchlich, die Reduzierung der Beteiligungsquote auf weniger als 1% verfolgte das ausschließliche Ziel, den Bedingungen des Verwaltungserlasses aus dem Jahr 2007 zu genügen. Das Berufungsgericht schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an, dass die Gestaltung einen Rechtsmissbrauch darstellte (CAA Paris, 20.12.2018, Nr. 17PA00747, kommentiert im DFI vom August 2019).

Dem Conseil d’État wurde die Rechtsfrage vorgelegt, ob einem Steuerpflichtigen der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auch dann gemacht werden kann, wenn dieser lediglich dem Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift gefolgt ist.

Der Conseil d’État bestätigt zunächst die ständige Rechtsprechung, der zufolge ein Steuerpflichtiger eine günstigere Regelung aus einer Verwaltungsvorschrift in Anspruch nehmen darf, auch wenn diese die gesetzliche Vorschrift ergänzt oder dieser widerspricht, vorausgesetzt, dass der Steuerpflichtige sich an die Bedingungen der Verwaltungsvorschrift hält. Wenn dies gegeben ist, darf die Finanzverwaltung keine zusätzlichen Steuern mit der Begründung nachfordern, der Steuerpflichtige habe zwar die Verwaltungsvorschrift eingehalten, habe aber die Reichweite überschritten, die die Finanzverwaltung bezweckt hatte.

Diese Garantie kann nach der Auffassung des Conseil d’État jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn die Verwaltung unter Einhaltung des einschlägigen Steuerverfahrens durch objektive Beweismittel nachweist, dass der Steuerzahler eine künstliche Gestaltung erarbeitet hat, die das ausschließliche Ziel der Steuerhinterziehung oder -minderung verfolgt.

Mit diesem Urteil schränkt der Conseil d’État die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer günstigeren Regelung aus einer Verwaltungsvorschrift ein, wenn feststeht, dass es sich um eine künstliche Gestaltung handelt, die ausschließlich die Umgehung von Steuern zum Ziele hat.